© Neue Luzerner Zeitung; 30.01.2008; Seite 19 [http://www.nlz.ch]
Gimma und Greis sind nach Baar gereist, um der Firma Glencore eine Auszeichnung zu überreichen. Deren Chef ist nicht erfreut.
Sie haben sich gestern in Geduld geübt, die beiden Schweizer Rapper Gimma und Greis. Ist ihnen sonst bei Auftritten ein jubelndes Publikum sicher, hat man sie in Baar warten lassen. Dabei wollten sie dem Management des Rohstoffhändlers Glencore gestern eine Auszeichnung überbringen. Sie hatten den Public Eye Award im Gepäck, den Schmähpreis «für übles Firmenverhalten».
Schmähpreis aus Davos
Die Trophäe ist von den Nichtregierungsorganisationen Erklärung von Bern und Pro Natura ins Leben gerufen worden und wird seit vier Jahren am Weltwirtschaftsforum Davos verliehen. Das Baarer Unternehmen hat es in diesem Jahr getroffen, weil das Management skrupellos mit den Arbeitern in den kolumbianischen Kohleminen Carbones de la Jagua umgehe und deren Versuche, sich gewerkschaftlich zu organisieren, unterdrücke.
Ausserdem verursachten die Kohleminen massive Umweltverschmutzung und Gesundheitsschäden bei der Bevölkerung, kritisieren die Erklärung von Bern und Pro Natura. Seit langem versuchen Gewerkschafter aus Kolumbien mit der Geschäftsleitung in Baar in Kontakt zu treten, um ihre Kritik an oberster Stelle zu deponieren.
Gestern wurde mit Sergio Becerra Moreno erstmals ein Gewerkschafter in Baar empfangen. Glencore-Chef Ivan Glasenberg nahm sich eineinhalb Stunden Zeit für den Gewerkschafter aus Kolumbien und Stephan Suhner von der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien [...]. «Ohne den Public Eye Award hätten wir vielleicht auch heute vor verschlossenen Türen gestanden», sagt Suhner. «Natürlich sind die Vertreter der Glencore bei der Meinung geblieben, dass alles gut läuft in Kolumbien. Wichtig ist aber, dass sie uns versprochen haben, gewissen Ungereimtheiten nachzugehen.» So berichten die Arbeiter in der Mine immer wieder, dass sie vom Wachpersonal auf dem Firmengelände bedroht werden und gerade Gewerkschaftmitglieder Angst haben. «Ich hatte bei den Gesprächen auch das Gefühl, dass die Firmenzentrale nicht über alles informiert ist, was das lokale Management macht», sagt Suhner. Ebenfalls Thema des Gesprächs war die Knappheit von sauberem Trinkwasser in den Dörfern um die Mine, die angeblich auch durch den Kohleabbau verursacht wird.
«In Haft oder auf der Flucht»
Laut Lotti Grenacher, Sprecherin der Glencore, bezahlt das Unternehmen die lokale Regierung für die Schürfrechte. «Dieses Geld wird aber nicht zur Verbesserung der lokalen Infrastruktur verwendet», relativiert Suhner. «Die letzten vier Bürgermeister der Stadt La Jagua sind entweder wegen Korruption in Haft oder auf der Flucht.» Die Glencore nutze ihren starken lokalen Einfluss nicht, um etwas gegen die Korruption zu tun. Grenacher widerspricht: «Wir finanzieren Krankenhäuser, Schulen und auch den Bau von Strassen in der Region.»
Während drinnen die Gespräche laufen, warten die Rapper draussen geduldig auf ihren Einsatz. Doch belohnt werden sie dafür nicht. Gimma hat sich fest vorgenommen, den Preis nur dem Firmenchef persönlich zu überreichen. Doch Ivan Glasenberg zeigt sich nicht. Gimma und Greis markieren Härte: «Wir kommen wieder.»
Nelly Keune
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