Friday 29 February 2008

Kolumbien: Carimagua und Puerto Wilches: Palmölplantagen und Menschenrechte

Meine Liebe, mein Lieber

Hier zwei Artikel der ask! – Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien, hier mit freundlicher Genehmigung des Verfassers veröffentlicht.

Weitere Informationen unter http://www.askonline.ch sowie http://www.agrotreibstoffe.ch

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Carimagua - Land für Palmenunternehmen, nicht für Vertriebene

Die Arbeitsgruppe Schweiz Kolumbien ask hat schon verschiedentlich darauf hingewiesen, dass der Boom der Agrotreibstoffe den Druck auf Land erhöht und Massnahmen zur Agrarreform erschwert. In diesen Tagen erreichte uns dazu ein neues, klares Beispiel aus Kolumbien.

Die tragikomische Geschichte dreht sich um das Grundstück Carimagua mit 17'000 Hektaren. Diese Hacienda liegt im Departement Meta, einem der Zentren der Agrotreibstoffproduktion. Seit Jahren war dieses Stück Land dafür vorgesehen, intern vertriebene Kleinbauern anzusiedeln. Ein Abkommen von 2004 sah vor, dieses Land im Rahmen der Politik zu Gunsten intern Vertriebener an Gewaltopfer zu übertragen. Das Grundstück schenkte die Kolumbianische Landwirtschaftliche Forschungsanstalt CORPOICA im Jahre 2004 dem Institut für Landreform und ländliche Entwicklung Incoder, das es an Landlose und Gewaltopfer verteilen sollte. Dem behördlichen Schlendrian ist es zuzuschreiben, dass das Land auch drei Jahre später nicht verteilt war.
Im Juli 2007 entschied das Incoder unter Landwirtschaftsminister Felipe Arias, das Grundstück Privaten zu übertragen und schrieb das Land zur Verpachtung während 50 Jahren an Agro-Unternehmer aus. Anfang Februar 2008 wurde diese abrupt getroffene Entscheidung publik. Die Argumente für die Umnutzung grenzen z.T. ans Lächerliche. So behauptete der Landwirtschaftsminister, das Land sei schlecht erschlossen, habe kaum Infrastruktur und der Boden sei fast unfruchtbar. Präsident Uribe unterstützt die Entscheidung seines Landwirtschaftsministers und hält fest: „Ich finde grosse agroindustrielle Projekte interessanter, als einfach Land zu parzellieren, wo dann nur Hütten, Armut und Unkraut spriessen“.
Interessant ist: Aus Protest gegen die staatliche Untätigkeit hat eine Gruppe Landloser das Grundstück vor einigen Monaten besetzt. Nun müsste also die Polizei dafür sorgen, dass diese (rechtmässigen) Besetzer wieder entfernt werden, damit es – in Verletzung der ursprünglichen Vereinbarung an Private gehen kann.
Linke Parlamentarier, grosse Medien und der Oberste Rechnungsprüfer haben diese Pläne der Regierung kritisiert. Der Procurador verlangte, dass dieses Land wie vorgesehen an 80 landlose Familien verteilt werde. Andernfalls wolle er die Entscheidung der Regierung juristisch anfechten. Denn es stellt sich die Frage, ob erstens das Incoder dieses ausdrücklich zur Verteilung an Landlose bestimmte Grundstück einfach an private Investoren übertragen kann. Zweitens, ob dieses Vorgehen verfassungskonform ist, denn die Verfassung gibt bei der Landzuteilung klar den Vertriebenen und Landlosen den Vorrang.
Pikanterweise hat das Verfassungsgericht die Regierung Uribe vor Kurzem erneut gerügt, weil sie dem verfassungsmässigen Auftrag der Unterstützung der Vertriebenen nicht nachkomme, insbesondere was die Landzuteilung anbelange.
Die grösste Tageszeitung Kolumbiens, El Tiempo, erhielt Einsicht in einen Bericht, aus dem klar hervorgeht, dass das Land für produktive Projekte mit Kleinbauern geeignet ist. Laut diesem Bericht waren Projekte mit Forstwirtschaft (Kautschuk, Edelholz und Palmen), Viehzucht und Nahrungsmitteln für den Eigenbedarf geplant, und verschiedenste Organisationen hatten technische und finanzielle Unterstützung zugesagt. Die anzusiedelnden Landlosen und Vertriebenen sollten in Vereinigungen organisiert werden, um den Boden effizienter bearbeiten zu können. Das Terrain wurde genau wegen seiner guten Verkehrserschliessung, Infrastruktur und Bodeneigenschaften für dieses Projekt ausgewählt. Es verfügt über Strom, Wasser, Dutzende Häuser und sogar eine Landepiste!
Die Regierung behauptet zur ihrer Verteidigung nun aber genau das Gegenteil. Dieser Boden könne nur produktiv sein, wenn mehrere Millionen Franken investiert würden, denn er sei sauer und verwahrlost. Weder der Staat noch die Vertriebenen würden über dieses Geld verfügen, deshalb müsse auf private Investoren zurück gegriffen werden. Dank privaten Investoren könnten aber bis zu 1500 Arbeitsplätze geschaffen werden. Mit den Gewinnen aus dem Projekt könnte dann andernorts fruchtbares Land für Vertriebene gekauft werden. Die Regierung wolle kein schlechtes Land an Vertriebene verteilen.
Gemäss verschiedenen Experten und Politikern sind die Argumente der Regierung haltlos und ihr Vorgehen illegal. Zudem sei es kein Einzellfall. In Buga im Departement Valle wurde vor kurzem bekannt, dass 700 Vertriebene das versprochene Land nun ebenfalls nicht erhalten sollen.
Schon lange zeichnet sich die Tendenz der Regierung Uribe ab, die Agrarreform auszuhebeln und das Land nur privaten Investoren und Grossgrundbesitzern zuzuteilen. Uribes Regierung behauptet, private Investoren seien viel effizienter als Kleinbauern,und würden gute Arbeitsplätze schaffen. Immer wieder lässt der Landwirtschaftsminister verlauten, die Landbevölkerung und die Vertriebenen wollten kein Land, sondern Arbeitsplätze.
Doch den Kleinbauern und Landlosen ist sehr wohl bewusst, dass die angebotenen Arbeitsplätze ein würdiges und sorgenfreies Leben nicht ermöglichen, sondern sie vielmehr der Willkür und Ausbeutung durch die Latifundisten aussetzen werden. Deshalb kämpfen breite Kreise von Vertriebenen, Gewaltopfern, Landlosen und Kleinstbauern für ein eigenes Stück Land und staatliche Unterstützung, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Doch diese Kleinstbauern und Landlosen, die für ihr eigenes Stück Land kämpfen, werden totgeschwiegen, diffamiert und bedroht. Und führen sie ihren Kampf ums Land allzu hartnäckig, scheuen die Grossgrundbesitzer und Palmölproduzenten auch vor Morden nicht zurück.

Quellen:
www.caracol.com.co, 11. Februar 2008
www.eltiempo.com, 10. und 11. Februar 2008

www.askonline.ch – Arbeitsgruppe Schweiz Kolumbien ask, Stephan Suhner, 25. Februar 2008

http://www.agrotreibstoffe.ch/

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Proteste von Palmenarbeitern gegen schlechte Arbeitsbedingungen

[Im Magdalena Medio kämpfen Plantagenarbeiter um bessere Arbeitsbedingungen.]

In Puerto Wilches im Magdalena Medio haben 2500 Plantagenarbeiter seit einigen Tagen die Arbeit nieder gelegt, um ihrer Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen Nachdruck zu verleihen. Auf 34'000 Hektaren im Gebiet der Gemeinde Puerto Wilches wachsen Ölpalmen, die den Unternehmen Monterrey, Bucarelia, Brisas, Agropalma und Agrícola del Norte gehören. Die 2500 streikenden Arbeiter machen etwa die Hälfte der Arbeiter dieser fünf Unternehmen aus.
Am 30. Januar 2008 kam es zu ersten lokalen Streiks in einigen Plantagen, diese dehnten sich aber immer mehr aus. Am 14., 15. und 18. Februar unterstützten Protestaktionen der gesamten Bevölkerung die Streiks.
Die Streikenden fordern in erster Linie individuelle, direkte Arbeitsverträge mit den Palmölunternehmen – 4'550 von ihnen arbeiten in Kooperativen, nur 610 Arbeiter haben direkte Arbeitsverträge mit den Plantagenbesitzern. Gemäss dem Gewerkschaftsdachverband CUT sind diese und andere Praktiken des Outsourcing und der Temporärarbeit weit verbreitet, was elementarste Arbeitsrechte aushebelt.
Die kolumbianische Gesetzgebung über Kooperativen verbietet deren Mitgliedern den Beitritt zu einer Gewerkschaft. Diese Kooperativen bezahlen Löhne von bloss etwa 130 Franken pro Monat – weit unter dem Mindestlohn – bei Arbeitstagen von bis zu 16 Stunden. Auch fehlen häufig die Gesundheitsversicherung und Altersvorsorge. Weiter fordern die Arbeiter bessere Löhne, Zuschüsse für Transport und Nahrungsmittel sowie Schutzkleidung, die sie, nebst ihren Werkzeugen, nämlich z.T. selber bezahlen müssen.
Zudem wehren sich die Arbeiter gegen Sanktionen wegen der Qualität der Früchte, da diese weder sehr reif noch grün geerntet werden sollten.
Schon mehrmals hat die Bereitschaftspolizei ESMAD die friedlichen Proteste mit Tränengas aufgelöst. Ein Gewerkschaftsführer wurde von einem Polizisten gefilmt und bedroht, drei Gewerkschafter wurden festgenommen. Bis jetzt haben sich die Palmölunternehmen geweigert, Verhandlungen mit den Streikenden aufzunehmen.
Es handelt sich um die grösste Streik- und Protestbewegung der Palmenarbeiter in den letzten Jahren. Vor allem die paramilitärische Gewalt hat die ehemals starken Gewerkschaften dieses agroindustriellen Sektors sehr geschwächt; viele Gewerkschaftsführer wurden ermordet oder gezwungen, ins Exil zu gehen. Viele Plantagen sind heute "gewerkschaftsfrei".
Gleichzeitig gingen die Unternehmen dazu über, die direkt angestellten Arbeiter zu entlassen oder sie zur Gründung von vielen kleinen Arbeitskooperativen und zur Weiterführung der bisherigen Arbeit als Kooperativenmitglied aufzufordern. Für die Unternehmen brachte dieses Modell verschiedene Vorteile: Sie wurden nicht nur die kämpferischen Gewerkschaften los und konnten die Arbeiter spalten und vereinzeln; sie sparen so auch Sozialabgaben und müssen das Risiko von Fehlernten und schlechter Fruchtqualität nicht selber tragen. Denn dieses Risiko liegt alleine bei den Kooperativen.
Kleinbauerorganisationen und Landarbeitergewerkschaften kritisieren dieses System als neue Form von Sklaverei. Doch der Landwirtschaftsminister Felipe Arias will das im Mittleren Magdalena entstandene Modell auf ganz Kolumbien ausdehnen und so die Agroindustrie und mehrjährige Plantagen fördern. Die Regierung Uribe setzt einseitig auf Plantagen mit Ölpalmen, Kautschuk, Zitrusfrüchten, Edelholz- und Zellulosegewinnung; es gibt kaum noch staatliche Mittel zur Förderung der Nahrungsmittelproduktion und der kleinbäuerlichen Wirtschaft.


www.askonline.ch – Arbeitsgruppe Schweiz Kolumbien ask, (Stephan Suhner) 26. Februar 2008
http://www.agrotreibstoffe.ch/

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