Thursday, 25 October 2007

Pressemitteilung: Die Via Campesina klagt an: Bewaffnete Syngentamiliz ermordet einen Leader der brasilianischen Landlosenbewegung

Guten Tag!

Wieder Mal fällt ein Schlaglicht auf einen Schweizer Multi, dessen Einstellung zu Menschenrechten besorgniserregende Auswirkungen hat. Diesmal geht es um Syngenta und Brasilien -- die Nachricht kam letzten Sonntag herein, aber ich war im Ausland. Trotzdem: Hier der Text.

Mit Bitte um Proteste, z.B. in Form von LeserInnenbriefen oder höflichen, aber energischen Protestschreiben an die Brasilianische Botschaft in Deinem/Ihrem Land...

PS: Ebenfalls vor Kurzem wurde folgendes bekannt:
***** Dole stoppt die Anwendung von Paraquat.
Dole, der weltweit wichtigste Anbieter von Obst, Gemüse und Schnittblumen, verzichtet künftig
auf die Anwendung von Paraquat. Obwohl immer mehr Grossproduzenten den Einsatz des hochgiftigen
Pestizids ablehnen, will Syngenta nun dessen Wiederzulassung in Europa erzwingen. Dieser Versuch
beruhigt kurzfristig vielleicht die Börse, ist jedoch aus Sicht der EvB chancenlos.
http://www.evb.ch/p25013260.html
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21. Oktober 2007

Bewaffnete Syngentamiliz ermordet einen Leader der brasilianischen Landlosenbewegung

Während eines Angriffs einer 40-köpfigen bewaffneten Miliz auf ein Zeltlager von landlosen Bauern auf dem Versuchsfeld des Schweizer Agrochemimultis [sic] Syngenta in Santa Teresa do Oeste um 13.30 Uhr des 21. Oktobers [2007] wurde der 32-jährige Valmir Motta, Vater von drei Kindern und Mitglied der Via Campesina, mit 2 Schüssen in die Brust ermordet. Weitere 6 Landarbeiter wurden ernsthaft verletzt und ein Angreifer kam wohl auch ums Leben. Die Verletzten: Gentil Couto Viera, Jonas Gomes de Queiroz, Domingos Barretos, Izabel Nascimento de Souza [und] Hudson Cardin wurden ins Spital gebracht. Izabel (eine Frau) liegt im Koma und in Lebensgefahr.
Das betreffende Syngentagelände wurde an diesem Morgen (21.10[.07]) von etwa 150 Bauern der Via Campesina besetzt. Das Gelände wurde schon im März 2006 besetzt, um den öffentlichen Institutionen und der Zivilgesellschaft die illegale Produktion von gentechnisch verändertem Mais- und Sojasaatgut zu denunzieren. Die Besetzung machte die Verbrechen Syngentas weltweit bekannt. Nach 16 Monaten Widerstand verliessen am 18. Juli dieses Jahres die 70 Familien das Gelände und zogen in die provisorische Siedlung "Olga Benario", welche ebenfalls in der Gemeinde Santa Tereza do Oeste liegt.
Heute bei der Wiederbesetzung zündeten die Landarbeiter Feuerwerk und die Sicherheitsmänner verliessen das Gelände. Um 13.30 Uhr hielt dann plötzlich ein Bus vor dem Haupttor und eine Miliz von etwa 40 schwer bewaffneten Pistoleros sprang aus ihm heraus und began auf die Bauern zu schiessen. Die Pistoleros brachen das Fronttor auf und exekutierten Valmir Motta mit zwei Schüssen in die Brust, schossen auf weitere fünf und schlugen auf Isabel do Nascimento de Souza ein, welche nun schwer verletzt im Spital liegt.
Syngenta hat Sicherheitsdienste angeheuert, welche in der Region völlig irregular handeln. Sie sind der ländlichen Gesellschaft der Westregion (Sociedade Rural da Regiõ Oeste, SRO) und der Bewegung der ländlichen Produzenten (Movimento dos Produtores Rurais, MPR) angegliedert. Einer der Direktoren der Sicherheitsfirma "NF" wurde verhaftet, und der Besitzer entkam während einer Bundespolizeioperation früher in diesem Monat, als Munition und illegale Waffen sichergestellt wurden.
Es gibt Beweise, die zeigen, dass die Firma als Fassade dient, um im Bedarfsfall weit mehr Sicherheitsleute illegal anzuheuern als sie auf dem Papier hat, um eine bewaffnete Miliz zu formen, die gewaltsame Räumungen und Angriffe auf die Lager der Landlosen der Region ausführen. Am letzten Dienstag, dem 18.10., wurde[n] in Curitiba während einer öffentlichen Anhörung, welche von der Menschenrechts- und Minderheitenkommission der staatlichen Abgeordnetenkammer koordiniert wurde, die Verbindungen der bewaffneten Milizen zur SRO/MPR und zu Syngenta denunziert.
Die Via Campesina fordert die Justiz auf, den Angriff auf das Landarbeiterlager zu untersuchen, welches [sic] zusammen mit den Familien aus Olga Benario immer noch dafür kämpfen, dass die Syngentafelder in ein agrarökologisches Zentrum umgewandelt werden für die Vermehrung von traditionellem, biologischen Saatgut für bäuerliche Familien aus der Landreformbewegung. Die BewohnerInnen der Siedlung Olga Benario, welches an die Syngentafelder angrenzt, sind ebenfalls gegen GVO-Versuche in diesem Gebiet, weil sie ihre Produktion traditionellen Saatgutes verunreinigen und Schäden an ihrer Ernährung, Gesundheit und Umwelt anrichten.

Via Campesina

Presseinformationen:
Tel 55 (41) 3324.7000 und 55(41)84119794 – Solange
e-Mail: comunicacaopr[AT]mst[PUNKT]org[PUNKT]br

[Uebersetzung von Reto Sonderegger: retosonderegger[AT]gmx[PUNKT]ch]
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Monday, 15 October 2007

Was sind uns unsere Lebensmittel wert?

Meine Liebe, mein Lieber
Heute gehts nicht direkt um Kolumbien, aber wichtig ist dieser Artikel allemal, obschon auch er von "Biokraftstoffen" statt "Ag(g)rokraftstoffen spricht und damit in unseren Köpfen falsche Assoziationen hervorruft.

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Der Preisschock

Von KIRSTEN BRODDE, Greenpeace Magazin

GPM 6/07 - Lebensmittel werden deutlich teurer. Dass die Preise bald wieder sinken, ist nicht zu erwarten. Denn auf den Feldern, deren Früchte die Menschheit ernähren sollen, wachsen vermehrt Energiepflanzen für Biokraftstoffe heran.

Im Sommer 2007 lagen in Deutschland die Nerven blank. Ständig rechnete die Nation mit einer neuen Preisoffensive. Erst schraubte sich der Preis für einen Liter Vollmilch auf über 60 Cent hoch, dann überstieg das halbe Pfund Butter deutlich die Ein-Euro-Marke. Und als Aldi schließlich vorpreschte, mehrere hundert Produkte und damit fast die Hälfte des Sortiments verteuerte, kam es wie in Zeiten der Inflation zu Hamsterkäufen.
"Liebe Milch, liebe Butter, ich freue mich, dass ihr teurer werdet. Ihr wart ja schon nichts mehr wert", schrieb zwar der Kolumnist der Bild-Zeitung, Franz Josef Wagner. Mit dieser Haltung stand er bei seinen Lesern aber ziemlich alleine da. Empört beschwerten sich viele Deutsche bei Verbraucherzentralen über "Abzocke". Schwarzseher befürchteten bereits die Flaute im Kühlschrank.
Eine Wählerumfrage ließ ahnen, welche Brisanz auch für die Bundesregierung in dem Thema steckt. "Butterpreise kosten Union Stimmen", meldete Spiegel Online das Ergebnis. Ein paar Tage später stand Kanzlerin Angela Merkel in Berlin bei Edeka an der Kasse, kramte im Portemonnaie und bewies Hausfrauenwissen in puncto Lebensmittelpreise. Bild-Kolumnist Wagner verfasste eine Liebeserklärung: "Sie ist eine einfache Frau, eine Traumfrau, eine Frau im Supermarkt."
Kurioser noch mutet der Pasta-Streik an, den Verbraucherverbände in Italien kürzlich ausriefen, um gegen Preissprünge bei Nudeln zu protestieren. "Basta Pasta" hieß es am 13. September; einen ganzen Tag lang sollten die Italiener ihre Nationalspeise boykottieren. Die Lebensmittelindustrie zeigte sich unbeeindruckt: "Das bleibt ohne Folgen", erklärte ein Vertreter der Nudelfirma De Cecci.
Andernorts stellen hohe Lebensmittelpreise die Menschen vor wirklich existenzielle Probleme. So mussten die Brasilianer im ersten Halbjahr 2007 dreimal so viel für ihre Ernährung ausgeben wie im selben Zeitraum des Vorjahres. Und in Mexico City kam es im Frühjahr zu Massendemonstrationen, weil Maismehl, Grundstoff der Tortillas, seit Jahresbeginn fast doppelt so teuer geworden war. Die Maisfladen gehören vor allem in armen Haushalten zu fast jeder Mahlzeit. Die Demonstranten beschimpften ihren neu gewählten Präsidenten, den Konservativen Felipe Calderón: "Calderón ist ein Mörder, weil er will, dass wir verhungern", hieß es auf Plakaten.
Engpässe in Mexico, Preisschocks in Deutschland - was ist geschehen? Leben wir denn nicht im Zeitalter der landwirtschaftlichen Überproduktion, derer man sich noch vor Kurzem mit viel Aufwand entledigen musste? Was ist aus den Butterbergen geworden, wer hat die Milchseen trockengelegt?
An Erklärungsversuchen mangelt es nicht.
Auch das Wetter bot sich als Verursacher an, schließlich war hierzulande das Frühjahr zu trocken und der Sommer zu nass. Die Getreideernte fiel mager aus, weshalb weniger Futter für die Milchkühe zur Verfügung stand und in Folge weniger Milch. Und weil in Australien Dürre herrschte, fiel ein weiterer zuverlässiger Futtermittellieferant aus.
Doch beide Erklärungen greifen zu kurz. Viehfutter wird nämlich vor allem deshalb knapp, weil weltweit der Appetit auf Fleisch wächst. Enorme Mengen von Getreide landen deshalb nicht auf dem Teller, sondern fließen in die Produktion von Steaks und Burgern. Um ein Kilogramm Fleisch zu erzeugen, müssen Mastbetriebe satte fünf Kilogramm Getreide in den Trog kippen.
So trägt der steigende Fleischkonsum maßgeblich dazu bei, dass sich die Getreidelager rund um den Globus leeren und die Vorräte für Notzeiten schwinden: "Die Weltvorräte an Getreide werden am Ende dieser Ernteperiode auf dem niedrigsten Stand seit 30 Jahren angelangt sein", stellt der Internationale Getreiderat in London fest. Seit Jahren werde mehr Korn verbraucht als produziert. Und der Klimawandel dürfte die Ernten vielerorts künftig noch kärglicher ausfallen lassen.
Aber noch ein weiteres Phänomen ist verantwortlich für die neue Knappheit, ein Phänomen, dessen Folgen gerade erst beginnen, sich bemerkbar zu machen: die Produktion von Bioenergie anstatt von Lebensmitteln.
Sprit und Brot konkurrieren um den wohl begehrtesten Rohstoff weltweit: Acker. Und weil der Energiepflanzenanbau für die Bauern oft lohnender ist, produzieren sie immer weniger für den Teller und immer mehr für den Tank.
Denn die meisten Industrienationen wollen sich möglichst schnell von Ölimporten unabhängiger machen. Deshalb legen sie große Förderprogramme für Biotreibstoffe auf. Ein Fünftel der US-Ackerfläche dient in diesem Jahr bereits der Ethanolproduktion - der Hauptgrund, warum die Tortillas in Mexiko so teuer geworden sind. Der Bundesstaat Iowa, eine der Kornkammern Nordamerikas, wird demnächst seine gesamte Maisernte an die Kraftstoffdestillen liefern, wenn alle dort geplanten Raffinerien in Betrieb gehen.
Und Europa zieht nach. Im Frühjahr hat sich die Europäische Union verpflichtet, den Biosprit-Anteil am Kraftstoff bis 2020 auf zehn Prozent anzuheben. Diese Entwicklung spürt die ganze Menschheit, denn der Bedarf wird vor allem durch Importe gedeckt.
Getrieben vom Hauptabnehmer Europa weitet etwa Indonesien seine Palmöl-Plantagen aus. Riesige Waldflächen müssen den industriellen Monokulturen weichen, andernorts verlieren Kleinbauern Felder, auf denen sie vormals tropische Früchte wie Durian oder Mangos anpflanzten.
Im Norden und Osten Brasiliens dagegen wachsen die Zuckerrohrplantagen zur Ethanolproduktion. Wer einmal solche Plantagen gesehen hat, bekommt eine Ahnung davon, wie zerstörerisch der Treibstoffdurst geworden ist. Er frisst sich durch ganze Landschaften, zerstört Traditionen und Kultur. Angesichts der gewaltigen Flächen sind Zweifel angebracht, ob die Erzeugung von Biosprit der Umwelt weniger schadet als die Förderung von Mineralöl – zumal die Klimabilanz der Treibstoffe vom Acker nicht wirklich berauschend ausfällt. (siehe GPM 6/06, Biosprit)
Der Bioethanol-Boom, den die Regierung von Präsident Lula nach Kräften anheizt, sei für die Ärmsten lebensbedrohlich, klagt der brasilianische Theologe Frei Betto. Schon jetzt seien 52 Millionen Lateinamerikaner von Unterernährung bedroht. Betto nennt den Agrosprit deshalb "Treibstoff des Todes".
So steuern die vermeintlich umweltbewussten Nationen vorsätzlich auf eine Situation zu, in der Menschen hungern, damit andere fahren können." Das Recht auf Nahrung ist durch den Ausbau der Produktion von Biosprit hochgradig gefährdet", erklärt der UN-Sondergesandte Jean Ziegler und warnt gewohnt temperamentvoll vor schweren Hungersnöten. Ein einfaches Beispiel mag Zieglers Prognose anschaulich machen: Bereits eine Ethanol-Tankfüllung eines Geländewagens verschlingt rund 200 Kilo Mais. Damit kann man einen Menschen ein Jahr lang ernähren.
Während sich in Brasilien, Mexiko und Indonesien die Folgen des Biosprit-Booms bereits deutlich abzeichnen, sind die Experten uneins, ob der fatale Trend auch zu den jüngsten Preissteigerungen in Deutschland beigetragen hat.
"Noch zahlen wir nicht die Zeche für den Biosprit", sagt Thilo Bode von der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch in Berlin. Die Verwandlung von Ackerfrüchten zu Kraftstoffen könne aber ein Problem der Zukunft werden, zumal die Brüsseler Agrarpolitik den Anbau nachwachsender Rohstoffe im großen Stil subventioniere.
Auch der Deutsche Bauernverband, der die Landwirte gern als "Ölscheichs von morgen" sieht, wiegelt ab: Nur 1,5 Prozent der deutschen Getreideernte seien in den ersten fünf Monaten des Jahres zu Bioethanol verarbeitet worden, erklärte Generalsekretär Helmut Born bei der Vorstellung des Erntebilanz 2007. Knapp werde nichts. Die 1,1 Millionen Hektar, auf denen hierzulande Raps wächst, gehen in Borns Rechnung freilich nicht ein, denn die Ölsaat wird nicht zu Ethanol verarbeitet, sondern zu Diesel.
Deutlich besorgter als die Bauern gibt sich die Lebensmittelindustrie. Sie gründete eine Allianz gegen Biosprit, um auf die Risiken der Entwicklung aufmerksam zu machen. "In zwei bis vier Jahren kann es zu substanziellen Problemen bei der Ernährung der Bevölkerung kommen", sagt Karl-Heinz Legendre vom Verband der Margarineindustrie. Allerdings steht die Lebensmittelbranche derzeit selbst in der Kritik, weil sie den höheren Preis für Milch, Zucker oder Weizen ausnutzte, um die Preise ihrer Endprodukte wie Bier, Brot, Schokolade oder Eis kräftig heraufzusetzen - obwohl die Kosten der Rohstoffe beim Endpreis gar nicht so stark ins Gewicht fallen. So kostet der Weizen im Brötchen nur etwa einen Cent (siehe Seite 29).
Trotzdem sind die Kassandrarufe der Lebensmittelhersteller keineswegs unberechtigt, wenn man den Blick in die Zukunft richtet. Derzeit dienen in Deutschland etwa zwei Millionen Hektar der Energieproduktion. Bis zum Jahr 2020 sollen es rund 3,5 Millionen Hektar sein - also fast ein Drittel der deutschen Ackerfläche. Dies führe, so das Wuppertal-Institut, zu einer "Verdrängung wettbewerbsfähiger Nahrungsmittelproduktion ".
Zu erwarten steht überdies, dass die Felder mit Energiepflanzen, wie bereits heute die gelben Rapsmeere, umweltschädliche Monokulturen sein werden, mit Dünger gepäppelt und in Pestiziden gebadet. Biosprit aus echtem Bioanbau wäre zwar eine gute Idee, ist jedoch nach Ansicht von Experten wegen zu hoher Kosten Utopie.
Schon reiben sich die Hersteller von Agrarchemikalien die Hände: Bayer CropScience sieht durch den Anbau von Energiepflanzen in Deutschland bis 2015 ein Marktvolumen von vier Milliarden Euro. Schätzungen, die ahnen lassen, dass auch diese Branche von großflächigen Veränderungen im Landschaftsbild ausgeht.
Dem Anbau von ökologischen Lebensmitteln gehen diese Flächen verloren - obwohl die Nachfrage nach Biokost schwindelerregende Zuwächse verzeichnet. Da jedoch die Bundesländer mit Umstellhilfen geizen, steigen viele Bauern statt auf Ökoanbau lieber auf Mais und Raps für Biosprit um, die schon mit der ersten Ernte satte Mehreinnahmen einbringen. Die Folge: Biolebensmittel reisen aus China oder Osteuropa an, Mogeleien sind immer schwerer auszuschließen (siehe Seite 18). So führt der Trend zu Biosprit im Verein mit anderen Einflüssen wie dem steigenden Fleischkonsum dazu, dass Lebensmittel teurer werden, aber keinesfalls besser - im Gegenteil. Die Mehreinnahmen fließen in alle möglichen Taschen, nur nicht in eine umweltverträglichere und gesündere Lebensmittelproduktion.
Und hier liegt die Crux der derzeitigen Debatte. "Wir reden zu viel über teure Lebensmittel und zu wenig über gute Lebensmittel, die ihren Preis auch wert sind", sagt Thilo Bode von Foodwatch. Teuer hieße nicht gut und billig nicht unbedingt schlecht. Schließlich hätten die Lebensmittelskandale der jüngsten Zeit gezeigt, dass auch teure Kartoffelchips schädliches Acrylamid enthielten und kostspieliges Obst mit Pestiziden belastet sei.
So könnten die aktuellen Preissprünge - auch wenn sie nichts mit verbesserter Qualität zu tun haben - zumindest ein Anlass sein, über zwei zentrale Fragen nachzudenken: Was sind uns unsere Lebensmittel wert? Was sind wir bereit, für gute und gesunde Ernährung zu zahlen? Sollte der Schock im Supermarkt diese längst überfällige Debatte angezettelt haben, ist viel gewonnen.
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Wednesday, 3 October 2007

Die Antwort auf Nespresso?

[© Foto: MP-J 2004 – Colombia: Guaduas (dt.: Bambus) in der Nähe des Hofes La Dulcinea, ca. eine halbe Stunde von Pereira, mitten in der Kaffeeanbauzone]


Guten Tag!

Heute möchte ich die Nachricht über eine wunderbare kleine Kaffeebar verbreiten, von der ich letzten Samstag in meinem Leibblatt gelesen habe. Was das mit Kolumbien zu tun hat? Sehr viel: "La tienda de Juan", im Besitz von Jairo und Isabelle Arango, verkauft Kaffee aus Pereira, der Hauptstadt der wichtigsten Kaffeeanbauregion in Kolumbien.

Vorbeigehen, probieren sehr empfohlen. :) Und hier meine Abschrift der Spalte:


Die Antwort auf Nespresso
Jairo Arango (52) aus Kolumbien führt Berns kleinste Kaffeebar.
[Der Bund, Sa., 29.9.07, "Im Profil" -- Original hat noch eine Foto von Jairo]

«Café Mariscal heisst das Produkt der gleichnamigen Rösterei in Pereira, der Hauptstadt der kolumbianischen Kaffeeregion. Mariscal – eine kleine Firma mit 40-jähriger Tradition – untersteht der Qualitätskontrolle des kolumbianischen Kaffeeverbands Federation [sic] National [sic] de Cafeteros und ermöglicht vielen Kleinbauern den Lebensunterhalt. Ich selbst bin als Bauernsohn in der Region Pereira geboren und aufgewachsen und kenne viele Produzenten persönlich. Mit meinem kleinen Direktimportgeschäft leiste ich einen bescheidenen Beitrag an die Existenz einiger Bauernfamilien. "El alma de mi pueblo" – die Seele meiner Landsleute – liegt hier vakuumverpackt im Laden, das Kilogramm zum fairen Preis von 24 Franken. Ich garantiere persönlich dafür, dass die Einnahmen den Cafeteros zugute kommen. Ein Teil der Finanzen wird in Umweltprojekte, Bildung und Gesundheitswesen investiert.»
«Meine Frau Isabelle und ich gründeten im Mai dieses Jahres die Importfirma Colombia Import GmbH. Meine Frau ist Juristin, ich bin Bauingenieur, kam vor zwei Jahren in die Schweiz und arbeitete zunächst als Pizzaiolo im Quartiertreff Punto. Letzte Woche nun haben wir an der Aarbergergasse 55 in Bern den Take-away-Laden eröffnet. "La Tienda de Juan" ist wohl mit 14 Quadratmetern die kleinste Kaffeebar in der Stadt Bern. Die Ecke diente vorher als Schaufenster. Ich habe meine Ersparnisse in den Umbau und die Einrichtung des Lokals investiert. Ohne die Mithilfe des Inhabers des Nachbarlokals La Cavaña, der die Mitbenützung der Toiletten im Haus erlaubt, hätte ich die Kaffeebar nicht eröffnen dürfen. Unsere Kaffeemaschine ist ein Auslaufmodell: Sie hatte in einem andern Restaurationsbetrieb keine Verwendung mehr, weil die tägliche manuelle Reinigung eine halbe Stunde erfordert. So viel Zeit investiert heute niemand mehr fürs Putzen. Doch mir macht die Arbeit nichts aus. Unser Geschäft ist täglich ab 6.30 Uhr geöffnet, an Samstagen ab 9 Uhr. Meine Präsenzzeit ist enorm. Wir verkaufen auch frischen Orangensaft und Pandebono-Brötchen, die wir nach eigenem Rezept aus Spezialmehl und Käse backen.»
«Die Havelaar-Stiftung unterstützt ebenfalls Cafeteros in Kolumbien. Und auch Nespresso bezieht Kaffeebohnen aus Pereira. Ich wollte ein eigenes Projekt aufbauen und tat es mit viel Herzblut, denn ich kenne die schwierigen Lebensbedingungen der Produzenten in meiner Heimat. Im Vergleich zum Elefanten Nestlé bin ich eine Mücke. Die grossen Multis kaufen die Rohstoffe günstig ein und lassen sie in den USA veredeln. Die Bevölkerung Kolumbiens besteht aus 200 indigenen Völkern, die Mehrheit lebt in Armut. Drogenmafia, Korruption und Paramilitarismus haben das Land ruiniert. Nun gibt es Anzeichen, dass es aufwärts geht.»
Gespräch: Daniel Vonlanthen


Dazu gibt es gleich zwei Anmerkungen:
1. von S.J., z.Zt. beim UNHCR in Bogotá:
In Kolumbien gibt es 94 indigene Ethnien (was natürlich auch viel ist), und das Land ist ganz klar auch durch die Guerrilla und nicht nur durch die genannten Faktoren ruiniert worden...

2. mein eigener Kommentar, nach meinem heutigen Besuch:
Sehr guter Kaffee, sehr netter Service, hübsches Lokal, absolut zentral gelegen. Einziger Wermutstropfen: take-away heisst viel Abfall, denn der Kaffee wird in kleinen Plastictassen oder Kartonbechern ausgeschenkt. Ich hoffe, Jairo findet noch eine bessere Lösung.

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Und zum Schluss noch ein kleines Souvenir von meiner Kolumbien-Reise 2004 -- die Stadtblume von Bogotá, Odontoglossum luteopurpureum, eine wunderschöne Orchidee: