Wednesday 5 September 2007

Alliance Sud zum Gebana-Pilotprojekt "Bio&Fair Treibstoff"

Guten Tag und willkommen zum neuesten Eintrag in meinem Blog.

Heute möchte ich eine Stellungnahme von Alliance Sud zu einem Ag(g)rotreibstoff-Projekt der Gebana mit Euch teilen. Kolumbien ist insofern betroffen, als die gegenwärtige Regierung irrsinnige Projekte verfolgt, auf Hunderttausenden von Hektaren Land – auch bisher unberührte Urwälder mit unermesslichen Schätzen an Flora und Fauna – Ölpalmen für die Produktion von sogenanntem Biodiesel anzupflanzen. Was dabei verschwiegen wird, sind Vertreibungen von Tausenden von Kleinbauern, die Zerstörung von unberührter Natur, die Tatsache, dass eine Ölpalm-Plantage eine Lebenszeit von ca. 30 Jahren hat -- danach ist der Boden wegen dichter Wurzelung kaum mehr für etwas zu brauchen, oder nur mit riesigem Aufwand. Wieder einmal regieren kurzfristige Profitinteressen. Natürlich ist es nicht die kolumbianische Regierung, die da allein wirkt – dafür braucht es die Ag(g)roindustrie, und dazu gehören auch Multis mit Sitz in der Schweiz (zB Syngenta, einem der grössten Chemiemultis der Welt -- via Novartis aus dem Zusammenschluss Mitte der 1990er Jahre von Sandoz und Ciba entstanden).

Mit Nachdruck unterstütze ich die Aussage von Rosmarie Bär im nachfolgenden Communiqué: "Der Weg in eine nachhaltige Energie- und Klimapolitik führt über eine CO2-Abgabe, über Effizienz und Sparsamkeit."

Danke für Ihre/Deine Mitarbeit, damit wir diesem Ziel Tag für Tag näher kommen.


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Gebana-Pilotprojekt „Bio&Fair Treibstoff“
Stellungnahme [von Alliance Sud] an der Medienkonferenz vom 28. August 2007

Fair Trade mit Biotreibstoffen?

Von Rosmarie Bär, Alliance Sud
(http://www.alliancesud.ch/deutsch/pagesnav/frames.htm)

Ich halte es gleich zu Beginn und unmissverständlich fest: Alliance Sud hat nicht die Seite gewechselt. Weder stimmen wir in ein generelles Lied der Euphorie auf Agrotreibstoffe aus Entwicklungsländern ein, noch verschenken wir doppelte Cumuluspunkte an die Migrol. Für Alliance Sud sind Agrartreibstoffe aus dem Süden kein taugliches Mittel, um den globalen Klimawandel zu stoppen, noch eine Chance für Entwicklungsländer, mit dem Export dieser Treibstoffe auf breiter Basis ihre Armut zu verringern.

Vier Medienmitteilungen, die in den letzten Wochen erschienen sind, zeigen, wie berechtigt und nötig eine kritische Haltung zum energie- und klimapolitischen Bestseller mit der verführerischen oder vielmehr irreführenden Bezeichnung „Biotreibstoffe“ ist:

Die erste Meldung: Die Gesellschaft für bedrohte Völker warnt davor, „dass der Bioenergieboom in Europa Millionen Ureinwohnerinnen und Ureinwohner in Ländern des Südens in Bedrängnis bringt. Allein in Indonesien und Malaysia sind rund 47 Millionen Angehörige indigener Völker von der geplanten Ausweitung des Anbaus von Ölpalmen betroffen“.

Die zweite Mitteilung kommt von der internationalen Wasserwoche in Stockholm: „Expertinnen und Experten haben in Stockholm vor einer massiven Wasserverknappung durch die erwartete Massenproduktion von Ethanol und anderen Biotreibstoffen für Autos gewarnt. Als ungelöstes Problem bezeichneten sie auch die Notwendigkeit riesiger Anbauflächen für die Biobrennstoffe.“

Die dritte Meldung: „Die Produktion von Biotreibstoffen kann weltweit zu Hunderttausenden von Hungertoten führen, warnt Jean Ziegler, UN-Sonderbotschafter für das Recht auf Nahrung. Laut Ziegler breiten sich in Nord- und Ostbrasilien immer mehr Zuckerplantagen für die Ethanol-Produktion aus, wodurch immer weniger Land für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern übrig bleibe.“

Die vierte Meldung ist ein Protestschreiben von europäischen NGOs an ihre Regierungen: „Die Europäische Investment Bank (EIB) plant die Vergabe von Krediten über gut 37 Millionen Euro an EU-Konzerne, die in den brasilianischen Markt für Agrotreibstoffe investieren wollen. Das hat noch mehr Monokulturen zur Folge, bedroht sensible Ökosysteme wie Amazonas und Pantanal sowie die Nahrungsmittelversorgung der armen Bevölkerung“.

Trotzdem nimmt Alliance Sud an dieser Medienkonferenz teil. Weshalb? Weil wir das Pilotprojekt, das Gebana heute lanciert, aus unserer kritischen entwicklungspolitischen Perspektive geprüft und an den Kriterien gemessen haben, an die der Einsatz von „Biotreibstoffen“ – zusätzlich zu einer positiven Ökobilanz – zwingend gebunden werden muss. Zu welchen Schlüssen sind wir dabei gekommen?

1. Das Pilotprojekt kommt für die Schweiz zur richtigen Zeit. Im Moment läuft auf Bundesebene die Vernehmlassung zur Revision der Mineralölsteuerverordnung. Bekanntlich sollen nach dem Willen des Bundesrates und des Parlamentes als Beitrag zum Klimaschutz vermehrt Agrotreibstoffe getankt werden. Dazu sollen sie ab dem 1.1.08 von der Mineralölsteuer befreit werden. Allerdings hat das Parlament – nicht zuletzt auf Druck von Hilfswerken und Umweltorganisationen – als Voraussetzung für die Steuerbefreiung eine positive ökologische Gesamtbilanz ins Gesetz geschrieben, aber auch soziale Produktionsstandards verlangt. Das federführende Finanzdepartement behauptet nun, die soziale Dimension sei bis auf weiteres nicht zu fassen, man müsse auf ein internationales Label warten und das brauche Zeit. Eine solche Ignoranz der gesetzlichen Auftrages ist nicht akzeptabel.

Gebana liefert mit ihrem Pilotprojekt den Beweis, dass es soziale Kriterien gibt, die erfüllt werden können und müssen, u.a.:
• Soziale und gesundheitliche Mindestanforderungen nach den ILO-Konventionen
• Keine Kinderarbeit
• Existenzsichernde Löhne
• Organisationsfreiheit und Kollektivverhandlungen
• Lohngleichheit von Mann und Frau
• Schutzkleidung etc.

2. Das Pilotprojekt untergräbt weder die Ernährungssicherheit der Bevölkerung noch treibt es die Nahrungsmittelpreise in die Höhe. Es wird kein Land beansprucht oder weggenommen, auf dem bis anhin Nahrungsmittel gepflanzt wurden: Es wird nicht für den Tank statt für den Teller produziert.

3. Beim Gebana-Projekt handelt es sich nicht um industrielle Plantagen und Monokulturen in der Hand von Agro- und Erdöl-Konzernen mit sklavenähnlichen Arbeitsverhältnissen. Es sind selbständige Kleinbauernfamilien, die auf ihrem Land unter dem Label „bio&fair“ Soja als Nahrung für Menschen pflanzen. Vom „Nebenprodukt“ Sojaöl ihrer Lebensmittelproduktion können sie zusätzlich profitieren.

4. Das Gebana-Pilotprojekt führt in diesem Rahmen zu keinen Abholzungen und Rodungen. Umso wichtiger ist es, dass Gebana die Warnung des Umweltberatungsunternehmens Carbotech ernst zu nehmen, wenn es in seiner Studie schreibt: „... zudem ist zu beachten, dass jede zusätzliche Nutzung von Sojaöl zu einem erhöhten Druck auf den Urwald und damit indirekt zu einer Abholzung führen kann“.

Das Fazit aus entwicklungspolitischer Sicht: Das Pilotprojekt zeigt klar die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen und die Gefahren des Agrotreibstoff-Geschäfts auf. Wir bewerten das Pilotprojekt positiv, weil es zeigt, dass es auch anders geht. Es zeigt eine Alternative auf zur weltweiten Agrotreibstoff-Produktion, mit all ihren verheerenden ökologischen und sozialen Folgen.

Nach wie vor aber gilt: An den Agrartreibstoffen wird das Klima nicht genesen und die Ölabhängigkeit der Industriestaaten nicht verringert. Insbesondere im Verkehrsbereich nimmt der Energieverbrauch – wie wir alle wissen – weiterhin zu. Agrotreibstoff wird lediglich als zusätzliche Energiequelle für einen weiterhin steigenden Energiebedarf angezapft. Es ist deshalb ein falscher Ansatz und greift zu kurz, wenn wir Agrotreibstoffe fiskalisch begünstigen, gleichzeitig immer mehr und immer verbrauchsintensivere Autos herumfahren und immer mehr Lastwagen quer durch Europa unterwegs sind. Der vermeintliche Weg aus der Treibhausfalle ist so eine Sackgasse. Nicht zuletzt, weil die grössten Verbraucher von Agrotreibstoffen, unter ihnen die USA, gegen jegliche Veränderung des Mobilitätsverhaltens und der Konsum- und Produktionsmuster in den Industrieländern sind. Sie weigern sich auch, auf internationaler Ebene verbindliche Klimaschutzziele zu anerkennen. Der Weg in eine nachhaltige Energie- und Klimapolitik führt über eine CO2-Abgabe, über Effizienz und Sparsamkeit.

Vor allem aber greifen wir mit der gegenwärtigen „Agrotreibstoff-Politik“ nach der Nahrung der Ärmsten, um unsere Autos zu füttern. Dies kommt einem neokolonialen Übergriff gleich, mit dem wir die Menschenrechte in den Entwicklungsländern verletzen, nicht zuletzt das Recht auf Nahrung. Watch Indonesien, eine NGO, die sich mit der Problematik befasst, appellierte kürzlich an der UNO in New York: „Löst eure Energieprobleme nicht auf unsere Kosten!“

Mit seinem Pilotprojekt beherzigt Gebana diese Aufforderung. Nicht mehr und nicht weniger.

Kontakt: Rosmarie Bär
Gebana AG: http://www.gebana.com/htm/vom_bauern_d.htm
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Quelle dieses mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin hier veröffentlichten Artikels: http://www.alliancesud.ch/deutsch/pagesnav/frames.htm

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