Guten Tag
Schon wieder gucke ich über die Grenzen Kolumbiens hinaus. Inzwischen wissen es immer mehr: Die Tage für unseren energieverschwenderischen Lebensstil sind wohl gezählt.
Erst vor ca. zwei Jahren machte die gute Kunde die Runde, dass dank Mais, Soja, Palmöl oder Kartoffeln die Energieknappheit ein Ende haben könne. Heute wissen wir, dass für Ölpalmen Urwald gerodet und Menschen vertrieben werden; der Anbau von Soja im grossen Stil ruiniert in Südamerika (Brasilien, Paraguay, ...) Hunderte von Quadratkilometern kleinräumiger Landwirtschaft, und die Bauernfamilien finden kein Auskommen mehr; Kartoffeln in Energie umzuwandeln ist laut EMPA-Studie (2007) energie- und umweltmässig so ungefähr das Dümmste, was man tun kann; und der Maispreis ist wegen der forcierten Umwandlung von Mais in Sprit für die extremen 4x4-Karren in den USA so hoch, dass sich die einfachen Menschen in Zentralamerika und Mexico die tägliche Tortilla kaum noch leisten können.
Deshalb ist die Nachricht im folgenden Zeitungsartikel aus den Oberösterreichischen Nachrichten, den ich via
http://www.regenwald.org erhalten habe, lesenswert.
Noch etwas: Warum reden alle immer noch von "Biosprit", wenn doch von "bio" im Sinn von Leben, Umweltschutz und Nachhaltigkeit keine Rede sein kann? Viel besser wäre, bei grossflächig produzierten Erzeugnissen wie Palmöl oder Soja von "Agrotreibstoffen" und bei Energie aus Abfällen, Kuhmist oder altem Speiseöl von "Organotreibstoffen" zu reden...
Jetzt aber der Artikel:
China stoppt Projekte für Biosprit
SHANGHAI/WIEN. Die Euphorie, fossile Treibstoffe stärker durch pflanzliche zu ersetzen, bekommt einen deutlichen Dämpfer. Nicht nur die Ökobilanz ist bei etlichen Kraftstoffen umstritten.
Besonders drastisch hat China jetzt reagiert. Angesicht der steigenden Getreidepreise und der Lebensmittelknappheit im Land wird die Herstellung von Biokraftstoff aus Pflanzen massiv eingeschränkt. Bis 2010 sollen keine neuen Projekte zur Gewinnung von Bio-Ethanol aus Getreide mehr genehmigt werden. Noch nicht gestartete Projekte würden gestoppt, ausländische Investitionen in chinesische Bio-Kraftstoff-Anlagen untersagt.
Auch in Österreich ist die Biotreibstoff-Euphorie gedämpft. Greenpeace fordert von Umweltminister Josef Pröll ein Überdenken des Einsatzes des "Treibstoffs vom Acker". Der Plan, den Beimischungsgrad von Biosprit auf zehn Prozent zum Jahr 2010 zu erhöhen, sei der falsche Weg. Bis zur Klärung der negativen Auswirkung von Biosprit sollte die Beimischungsquote von derzeit rund fünf Prozent eingefroren werden.
Die großen Anbauprojekte in Südostasien und Indien werden bei den Umweltschützern mit Skepsis beobachtet. Wie berichtet, errichtet Indien riesige Jatropha-Plantagen, in Südostasien werden Regenwälder durch Palmölplantagen ersetzt.
Biosprit nicht gleich Biosprit
Die Ökobilanz von Biosprit fällt nicht nur laut jüngstem OECD-Bericht zwiespältig aus. Auch eine Studie der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA 2007) kommt zu dem Schluss: "Biosprit ist nicht gleich Biosprit."
So habe etwa Biosprit aus Soja in tropischen Ländern eine Ökobilanz, die um nichts besser sei als jene von schwefelarmem Benzin.
Ethanol aus Roggen oder Kartoffeln weist nach Angabe der Schweizer Forscher von allen untersuchten Biotreibstoffen mit Abstand die schlechteste Ökobilanz aus.
Die Studie kommt zum Schluss, dass es derzeit nur drei Biotreibstoffe, die den Ausstoß von Treibhausgasen - im Vergleich zu Diesel und Benzin - "substanziell reduzieren" können. Es sind das Ethanol aus brasilianischem Zuckerrohr, Ethanol als Nebenprodukt der Cellulosegewinnung, wie sie etwa in der Schweiz und in Schweden erfolgt, sowie die Herstellung von Biodiesel aus tierischen Fetten und Alt-Speiseöl. Bei den anderen Biotreibstoffen drückt der wenig umweltfreundliche Anbau auf die Bilanz.
Beschränkte Chance
Die OECD kommt in ihrer Studie zu den Chancen für Biokraftstoff zu ernüchternden Ergebnissen. Nur wenige Länder hätten das Potenzial, ihre Abhängigkeit von importiertem Erdöl signifikant zu schmälern. Die globale Produktion von Biotreibstoffen deckte 2005 ein Prozent des Spritverbrauchs. Bis 2050 könnten es bis zu elf Prozent sein.
Am meisten werden derzeit Biodiesel (Rapsmethylester) und Ethanol (als Beimischung für die Benzinmotoren) eingesetzt.
(c) Oberösterreichische Nachrichten
Friday, 28 September 2007
Thursday, 20 September 2007
Ein Blick über die Grenzen: Peru, Ecuador
Guten Tag!
Heute schreibe ich mal selber.
Gestern Abend nahm ich an der 3. Veranstaltung in einer Serie von sechsen teil, in der es um nachhaltiges Wirtschaften, Umweltschutz usw. in Lateinamerika geht. Die Reihe heisst Ökologie und nachhaltige Entwicklung – Ein Wunschtraum für Lateinamerika?
Sie wird von ALAS – Asociación LatinoAmérica-Suiza – unter Mitarbeit von ask! – Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien und mit Unterstützung von zahlreichen NROs organisiert.
Programm: http://www.alasberna.org
Nächste Veranstaltung: Mittwoch, 26.9.07, 19h, Käfigturm Bern (spanisch, mit Simultanübersetzung):
Turismo sostenible en Latinoamérica: ejemplos concretos (Nachhaltiger Tourismus in Lateinamerika: konkrete Beispiele)
mit Dina Bauer, Forum Anders Reisen (Freiburg iBr) und Mark Schmid, Präsident Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung (Basel)
Jetzt aber zu gestern Abend:
Zum Thema Explotación de recursos naturales en América Latina (Ausbeutung der natürlichen Bodenschätze in Lateinamerika) hörten wir zwei Präsentationen:
1. sprach Hildegard Willer, Peru-Koordinatorin der bmi – Bethlehem-Mission Immensee, zum Thema Minería de oro y cobre en los Andes peruanos (Gold- und Kupferminen in den peruanischen Anden), fachlich unterstützt vom Geographen (und Nebenfach-Geologen) Jonas Lambrigger und seinen eindrücklichen Posters aus Peru.
2. referierte der extra aus Ecuador angereiste Wissenschaftler (Soziologe, Ökonom, Ingenieur) Carlos Larrea der Universidad Andina Simón Bolivar in Quito zum Thema ¿Conservación o explotación petrolera en el Parque Nacional Yasuní (ITT) / Ecuador? – Un dilema histórico. (Umweltschutz oder Ausbeutung der Erdölvorkommen im Yasuní Nationalpark (ITT) / Ecuador? – Ein historisches Dilemma.
Zum ersten Teil - Hildegard Willer über "Minería de oro y cobre en los Andes peruanos":
Wir hörten, was für ungeheure Umweltschäden Gold-, Silber-, Nickel- und Kupferminen usw. in den Peruanischen Anden anrichten. Für ca. 1 g (ein Gramm) Gold wird ca. 1 t (eine Tonne!) Material ausgehoben und gewaschen. Dabei wird jede Menge Schwefel freigesetzt, der sich im Wasser zu Schwefelsäure verwandelt und u.a. Schwermetalle aus dem Boden und dem Gestein löst. Das wunderbare Gebräu versickert zumeist und kann über Hunderte von Quadratkilometern die schlimmsten Umweltschäden anrichten (Gewässerverschmutzung, Bodenvergiftung, Vergiftung der Menschen durch giftigen Staub usw.). Zudem stellt sich die Frage nach dem Verbrauch von Süsswasser, das gerade in den Anden eher ein knappes Gut ist.
Um die ganze Problematik kümmert sich kaum je mehr als ein armer Bauer oder eine mundtote Gemeinschaft von vorwiegend Indigenen – die "sozialdemokratische" Regierung Perus hört offensichtlich nur auf den Ruf des schnellen Geldes und auf die Stimmen der Geschäftemacher in der Hauptstadt.
Zwar ist Peru eines der wichtigsten Goldländer der Welt, aber ein peruanischer Goldschmied muss Gold aus dem Ausland importieren (der Schweiz, zum Beispiel), wo es raffiniert worden ist, und dann auch die gleiche Menge Gold wieder exportieren, sonst muss er überrissene Goldimport-Steuern bezahlen. Irrsinn! Der ganze Handel ist eng reglementiert und kontrolliert - so richtig nach dem alten kolonialen Muster und dem alten patriarchalen Weltbild, wobei auch Schweizer Firmen massgeblich beteiligt sind.
Erst ganz, ganz langsam beginnen sich die Menschen vor Ort zu wehren, zum Beispiel in der Nähe der Goldmine von Yanacocha. Langsam, langsam werden auch die Minengesellschaften in die Pflicht genommen und investieren nicht nur in die Exploration und Ausbeutung, sondern hie und da auch ins Aufräumen. Doch da liegen noch ganze Berge von Abraum vor der Menschheit, die Landstriche so gross wie die halbe Schweiz verseuchen, z.T. seit Jahrzehnten! Wer das alles bezahlen wird, steht noch in den Sternen.
Hildegard Willer stellte am Schluss auch die Frage in den Raum, wo die Goldströme genau durch ziehen von den Minen bis zur Käuferin und zum Käufer. Hier besteht noch grosser Informationsbedarf, gerade auch in der Schweiz.
Wie angekündigt, referierte im zweiten Teil der extra aus Ecuador angereiste Wissenschaftler Carlos Larrea zum Thema ¿Conservación o explotación petrolera en el Parque Nacional Yasuní (ITT) / Ecuador? – Un dilema histórico.
Carlos Larrea zeigte uns anhand von Satellitenbildern von Mitte 1990er-Jahre und ca. 2005, was für ungeheure Verwüstungen die Erdölförderung im Regenwald des Amazonas hinterlässt. Der Verlust an unberührtem Regenwald und einer noch gar nicht erforschten Biodiversität ist unermesslich. An der Grenze zu Brasilien, im Nordosten des Landes liegt der Yasuní Nationalpark. Etwas südlich davon befindet sich eine grosse Zone unberührten Waldes, in die sich einige Ureinwohner zurück gezogen haben, weil sie sich von unserer "zivilisierten" Welt bedroht fühlten. Es ist ein Irrwitz, in diesem Gebiet die reichlichen Erdölvorkommen auszubeuten.
Doch Ecuador braucht dringend Devisen, gleich wo sie herkommen. Nun gibt es ein hochinteressantes Projekt, Erdölvorkommen in der Grössenordnung von weniger als 1% der gesamten Weltproduktion im Boden zu lassen anstatt im Lauf von ca. 15 Jahren ein Gebiet von 1/4 der Schweiz zu zerstören – für eine Betriebszeit von ca. 15 Jahren, wohlverstanden! Und für eine Ausbeute, die gerade mal 13 Tage des Erdölverbrauchs unserer wunderbaren Welt befriedigt! Stattdessen soll Ecuador Zertifikate ausstellen können, die u.a. auch von Privaten wie Dir und mir gekauft werden könnten und bestätigen, dass für den Gegenwert die Menge eines Fasses (Barrel) Erdöl im Boden bleibt und Sozial- und Umweltprojekte finanziert werden.
Also, wer mich fragt: Ich kann es kaum erwarten, dass solche Zertifikate auf den Markt kommen. Auch bin ich damit nicht allein: Kaum wurde das Projekt publiziert, leistete Spanien eine erste symbolische Zahlung. Auch andere EU-Länder zeigen grosses Interesse.
Zu diesem Thema ist übrigens inzwischen ein interessanter Artikel veröffentlicht worden, im Guardian Weekly vom 28.09.07, S. 43: "International Development – Ecuador asks to leave oil alone "(Ecuador verlangt vom Westen, dass seine Ölreserven unangetastet bleiben sollen)!
Der Guardian-Korrespondent Rory Carroll berichtet aus Lago Agrio, an der Nordostgrenze von Ecuador zu Kolumbien.
Ich könnte und möchte noch viel mehr berichten, aber da ich diesen Blog völlig ohne Entgelt in meiner knapp bemessenen Freizeit unterhalte, muss und will ich jetzt wieder etwas bezahlte Arbeit leisten.
Auf Wiederlesen -- und danke für jegliche Kommentare!
Paz, Friede -- Justicia, Gerechtigkeit -- Respeto, Respekt!
Heute schreibe ich mal selber.
Gestern Abend nahm ich an der 3. Veranstaltung in einer Serie von sechsen teil, in der es um nachhaltiges Wirtschaften, Umweltschutz usw. in Lateinamerika geht. Die Reihe heisst Ökologie und nachhaltige Entwicklung – Ein Wunschtraum für Lateinamerika?
Sie wird von ALAS – Asociación LatinoAmérica-Suiza – unter Mitarbeit von ask! – Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien und mit Unterstützung von zahlreichen NROs organisiert.
Programm: http://www.alasberna.org
Nächste Veranstaltung: Mittwoch, 26.9.07, 19h, Käfigturm Bern (spanisch, mit Simultanübersetzung):
Turismo sostenible en Latinoamérica: ejemplos concretos (Nachhaltiger Tourismus in Lateinamerika: konkrete Beispiele)
mit Dina Bauer, Forum Anders Reisen (Freiburg iBr) und Mark Schmid, Präsident Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung (Basel)
Jetzt aber zu gestern Abend:
Zum Thema Explotación de recursos naturales en América Latina (Ausbeutung der natürlichen Bodenschätze in Lateinamerika) hörten wir zwei Präsentationen:
1. sprach Hildegard Willer, Peru-Koordinatorin der bmi – Bethlehem-Mission Immensee, zum Thema Minería de oro y cobre en los Andes peruanos (Gold- und Kupferminen in den peruanischen Anden), fachlich unterstützt vom Geographen (und Nebenfach-Geologen) Jonas Lambrigger und seinen eindrücklichen Posters aus Peru.
2. referierte der extra aus Ecuador angereiste Wissenschaftler (Soziologe, Ökonom, Ingenieur) Carlos Larrea der Universidad Andina Simón Bolivar in Quito zum Thema ¿Conservación o explotación petrolera en el Parque Nacional Yasuní (ITT) / Ecuador? – Un dilema histórico. (Umweltschutz oder Ausbeutung der Erdölvorkommen im Yasuní Nationalpark (ITT) / Ecuador? – Ein historisches Dilemma.
Zum ersten Teil - Hildegard Willer über "Minería de oro y cobre en los Andes peruanos":
Wir hörten, was für ungeheure Umweltschäden Gold-, Silber-, Nickel- und Kupferminen usw. in den Peruanischen Anden anrichten. Für ca. 1 g (ein Gramm) Gold wird ca. 1 t (eine Tonne!) Material ausgehoben und gewaschen. Dabei wird jede Menge Schwefel freigesetzt, der sich im Wasser zu Schwefelsäure verwandelt und u.a. Schwermetalle aus dem Boden und dem Gestein löst. Das wunderbare Gebräu versickert zumeist und kann über Hunderte von Quadratkilometern die schlimmsten Umweltschäden anrichten (Gewässerverschmutzung, Bodenvergiftung, Vergiftung der Menschen durch giftigen Staub usw.). Zudem stellt sich die Frage nach dem Verbrauch von Süsswasser, das gerade in den Anden eher ein knappes Gut ist.
Um die ganze Problematik kümmert sich kaum je mehr als ein armer Bauer oder eine mundtote Gemeinschaft von vorwiegend Indigenen – die "sozialdemokratische" Regierung Perus hört offensichtlich nur auf den Ruf des schnellen Geldes und auf die Stimmen der Geschäftemacher in der Hauptstadt.
Zwar ist Peru eines der wichtigsten Goldländer der Welt, aber ein peruanischer Goldschmied muss Gold aus dem Ausland importieren (der Schweiz, zum Beispiel), wo es raffiniert worden ist, und dann auch die gleiche Menge Gold wieder exportieren, sonst muss er überrissene Goldimport-Steuern bezahlen. Irrsinn! Der ganze Handel ist eng reglementiert und kontrolliert - so richtig nach dem alten kolonialen Muster und dem alten patriarchalen Weltbild, wobei auch Schweizer Firmen massgeblich beteiligt sind.
Erst ganz, ganz langsam beginnen sich die Menschen vor Ort zu wehren, zum Beispiel in der Nähe der Goldmine von Yanacocha. Langsam, langsam werden auch die Minengesellschaften in die Pflicht genommen und investieren nicht nur in die Exploration und Ausbeutung, sondern hie und da auch ins Aufräumen. Doch da liegen noch ganze Berge von Abraum vor der Menschheit, die Landstriche so gross wie die halbe Schweiz verseuchen, z.T. seit Jahrzehnten! Wer das alles bezahlen wird, steht noch in den Sternen.
Hildegard Willer stellte am Schluss auch die Frage in den Raum, wo die Goldströme genau durch ziehen von den Minen bis zur Käuferin und zum Käufer. Hier besteht noch grosser Informationsbedarf, gerade auch in der Schweiz.
Wie angekündigt, referierte im zweiten Teil der extra aus Ecuador angereiste Wissenschaftler Carlos Larrea zum Thema ¿Conservación o explotación petrolera en el Parque Nacional Yasuní (ITT) / Ecuador? – Un dilema histórico.
Carlos Larrea zeigte uns anhand von Satellitenbildern von Mitte 1990er-Jahre und ca. 2005, was für ungeheure Verwüstungen die Erdölförderung im Regenwald des Amazonas hinterlässt. Der Verlust an unberührtem Regenwald und einer noch gar nicht erforschten Biodiversität ist unermesslich. An der Grenze zu Brasilien, im Nordosten des Landes liegt der Yasuní Nationalpark. Etwas südlich davon befindet sich eine grosse Zone unberührten Waldes, in die sich einige Ureinwohner zurück gezogen haben, weil sie sich von unserer "zivilisierten" Welt bedroht fühlten. Es ist ein Irrwitz, in diesem Gebiet die reichlichen Erdölvorkommen auszubeuten.
Doch Ecuador braucht dringend Devisen, gleich wo sie herkommen. Nun gibt es ein hochinteressantes Projekt, Erdölvorkommen in der Grössenordnung von weniger als 1% der gesamten Weltproduktion im Boden zu lassen anstatt im Lauf von ca. 15 Jahren ein Gebiet von 1/4 der Schweiz zu zerstören – für eine Betriebszeit von ca. 15 Jahren, wohlverstanden! Und für eine Ausbeute, die gerade mal 13 Tage des Erdölverbrauchs unserer wunderbaren Welt befriedigt! Stattdessen soll Ecuador Zertifikate ausstellen können, die u.a. auch von Privaten wie Dir und mir gekauft werden könnten und bestätigen, dass für den Gegenwert die Menge eines Fasses (Barrel) Erdöl im Boden bleibt und Sozial- und Umweltprojekte finanziert werden.
Also, wer mich fragt: Ich kann es kaum erwarten, dass solche Zertifikate auf den Markt kommen. Auch bin ich damit nicht allein: Kaum wurde das Projekt publiziert, leistete Spanien eine erste symbolische Zahlung. Auch andere EU-Länder zeigen grosses Interesse.
Zu diesem Thema ist übrigens inzwischen ein interessanter Artikel veröffentlicht worden, im Guardian Weekly vom 28.09.07, S. 43: "International Development – Ecuador asks to leave oil alone "(Ecuador verlangt vom Westen, dass seine Ölreserven unangetastet bleiben sollen)!
Der Guardian-Korrespondent Rory Carroll berichtet aus Lago Agrio, an der Nordostgrenze von Ecuador zu Kolumbien.
Ich könnte und möchte noch viel mehr berichten, aber da ich diesen Blog völlig ohne Entgelt in meiner knapp bemessenen Freizeit unterhalte, muss und will ich jetzt wieder etwas bezahlte Arbeit leisten.
Auf Wiederlesen -- und danke für jegliche Kommentare!
Paz, Friede -- Justicia, Gerechtigkeit -- Respeto, Respekt!
Tuesday, 11 September 2007
Glencore-Geschäftsgebaren u.a. in Kolumbien - http://www.trend.drs.ch
Der heutige Radio-Tipp -- Radio DRS 1: «Trend - Das Wirtschaftsmagazin»
(Un-)heimliche Glencore AG
[Trend, 08. September 2007, 08.30-08.45 h, DRS 1]
Online Aufhänger:
Was unter Marc Rich als Rohstoffhändler begann, hat sich unter der Firmenbezeichnung «Glencore» zum weitaus grössten Schweizer Unternehmen mit Niederlassungen auf allen Kontinenten entwickelt. «Glencore» ist der verschwiegenste unter allen europäischen Grosskonzernen. Wenn der Rohstoffmulti dennoch von sich reden macht, dann wegen Streiks, Entlassungen oder Verstaatlichungen in Lateinamerika.
«Trend» berichtet über den auf Diskretion bedachten Rohstoffgiganten aus Baar bei Zug.
[Eine Sendung von] Rainer Borer
***
SENDUNG [Transkript: Margaret Powell]
"Nuestra respuesta es, primero queremos saber quién es Glencore" – "Zuerst möchten wir wissen, wer ist Glencore?" In Bolivien wurde eine Glencore-Mine verstaatlicht. Über Entschädigungen sprechen will der Bolivianische Handelsbeauftragte Pablo Solón jedoch erst, wenn er weiss, wer hinter der in Baar bei Zug domizilierten Rohstoffgesellschaft steckt, dem notabene vom Umsatz her grössten Unternehmen der Schweiz. In der Zentrale des verschlossenen Rohstoffhändlers und Minenbesitzers in Baar stellt man sich taub; Interviews gibt man nicht. – Glencore und die heimlichen – oder vielleicht gar unheimlichen? – Geschäfte: Thema heute im Trend. Am Mikrophon: Rainer Borer.
Glencore International ist der grösste unter den Schweizer Konzernen. Der Rohstoffmulti übertrifft umsatzmässig bei weitem sogar den Nahrungsmittelgiganten Nestlé, und mit Riesenschritten weiten die Baarer Rohstoffähndler ihr Imperium aus. In nur zwei Jahren haben sie ihren Umsatz verdoppelt. Und das ist schon fast alles, was der geheimnisumwitterte Konzern Glencore der Öffentlichkeit preisgibt.
Markus Mugglin hat sich auf Spurensuche gemacht und stellte fest, dass Glencore auf der ganzen Welt mehr von sich reden macht, als dem Unternehmen recht sein kann.
Markus Mugglin:
Das Deutsche Managermagazin publizierte im Frühjahr sein neuestes Good Company Ranking über die 120 grössten Konzerne Europas. Die Rangliste bewertet, wie rentabel, sozial und zugleich umweltbewusst die Unternehmen sind. Renommierte Konzerne schmücken die ersten Plätze: das Pharmaunternehmen BASF, der deutsche Waschmittel- und Kosmetikkonzern Henkel und die britische Anglo-American.
Die Grossbank UBS folgt als erstes Schweizer Unternehmen an sechster Stelle. Ins vorderste Drittel der geprüften Unternehmen bringen es auch Roche und Nestlé. Ganz am Schluss der Good Company Rangliste steht Glencore. Der Rohstoffmulti aus Baar bei Zug erhielt von allen 120 die schlechtesten Zensuren. Von maximal 100 Punkten schafft Glencore gerade mal 1,5 – noch deutlich weniger als Aldi und Lidl, die unmittelbar davor rangieren.
Klaus-Rainer Kirchhoff von der gleichnamigen Consulting-Firma, der die Untersuchung zusammen mit dem Beratungsunternehmen Deloitte im Auftrag des Manager-Magazins durchführte, begründet, weshalb Glencore schlechter als alle anderen abschneidet:
KRK am Telefon: "Wir haben für die Auswertung und Bewertung der Unternehmen alle verfügbaren Quellen herangezogen und zusätzlich die Unternehmen angeschrieben und darum gebeten, dass sie uns darüber hinausgehend Material zur Verfügung stellen. Wir haben von Glencore nichts erhalten, und das was in der Öffentlichkeit zugänglich ist, ist völlig aussagelos. … Wir haben deshalb zu den entscheidenden Fragen und Kriterien keine Informationen gefunden. Das ist der Grund, weshalb das Unternehmen ganz unten gelandet ist. …"
Abgeschlagen auf Platz 120. Wie reagiert man in der Glencore-Zentrale auf das vernichtende Urteil? Darüber hätten wir gerne mit den Verantwortlichen in Baar gesprochen. Doch zum Gespräch kam es nicht. Glencore teilte lediglich per Mail mit: "Glencore ist ein privat gehaltenes Unternehmen und nicht verpflichtet, öffentlich Bericht zu erstatten."
Klaus-Rainer Kirchhoff lässt diesen Grund nicht gelten: Viele andere, nicht an der Börse kotierte Unternehmen gäben Einblick in ihr Geschäftsgebaren und sähen ein, dass sie unabhängig von ihrer Rechtsform und Eigentumsverhältnissen gegenüber der Öffentlichkeit rechenschaftspflichtig seien:
KRK: "Ein Unternehmen, was so bedeutsam ist, was indirekt und direkt über 50'000 Menschen beschäftigt, hat einfach auch eine Verantwortung, Transparenz zu schaffen, Vertrauen zu schaffen, Akzeptanz zu schaffen, und dem kommt dieses Unternehmen überhaupt nicht nach."
Glencore war lange Zeit nur Rohstoffhändler. Seit ein paar Jahren investiert das Unternehmen aber massiv in die Rohstoffproduktion. Es produziert Rohöl und Kohle und baut Kupfer, Zink, Nickel und weitere Metalle ab. Das aus dem Steuerparadies Zug dirigierte Unternehmen hält Beteiligungen auf allen Kontinenten, ist in einem Dutzend Länder präsent und beschäftigt weltweit 50'000 Personen, allein in Kasachstan 20'000. In Südamerika und Afrika stehen je rund 10'000 im Solde des Rohstoffmultis.
Doch die Expansion ins Minengeschäft bringt Glencore wiederholt in Konflikt mit Einheimischen – in Bolivien zu Beginn des Jahres gar mit der Regierung. Boliviens Präsident Evo Morales nationalisierte per Dekret das Erzschmelzwerk von Glencore – offizielle Begründung: Glencore habe das Werk nicht rechtmässig erworben. Das Zuger Unternehmen bestreitet das und fordert, nach der Enteignung zumindest entschädigt zu werden. Bolivien will nicht darauf eintreten. Man wolle klären, unter welchen Umständen Glencore das Schmelzwerk gekauft habe, bevor über eine Kompensation verhandelt werde, gibt der Handelsbeauftragte der bolivianischen Regierung, Pablo Solón, zu verstehen:
PS: "Antes de hablar de cualquier indemnización, primero tenemos que esclarecer la verdad. Porque no puede haber indemnización sobre la base de hechos absolutamente obscuros."
Und eine Kompensation könne es nur geben, sofern der Kauf der Mine rechtmässig erfolgt sei.
Nicht nur in Bolivien, auch anderswo kam es in Niederlassungen von Glencore und des Rohstoffkonzerns Xstrata, an der Glencore ein Drittel hält, zu Konflikten: In Peru, in Argentinien, in Sambia, und vor allem in Kolumbien. Mal waren es Arbeitskonflikte mit Entlassungen und Streiks, andere Male gab es Streit mit der lokalen Bevölkerung.
Stephan Suhner von der Arbeitsgruppe Kolumbien-Schweiz [sic, sollte eigentlich Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien heissen] hielt sich während eines Monats im Norden von Kolumbien auf, wo er in La Jagua Zeuge eines Arbeitskonflikts in der von Glencore kontrollierten Kohlemine wurde:
StS: "Am Tag als wir in Kolumbien angekommen sind, hat eine Tochterfirma von Glencore 117 Arbeiter entlassen. Das waren Arbeiter einer Temporärfirma. Deren Vertrag wurde von einem Tag auf den andern aufgekündigt ohne Angabe von genauen Gründen. Die entlassenen Arbeiter haben dann einerseits die Zugänge zur Mine blockiert, andererseits haben 30 Arbeiter innerhalb der Mine protestiert."
Der Konflikt eskalierte, kolumbianische Sicherheitskräfte gingen gewaltsam vor, Menschen wurden verletzt. Schliesslich hat das Unternehmen einen Teil der Belegschaft wieder eingestellt. Über das Schicksal der übrigen Arbeiter wird noch verhandelt.
Stephan Suhner reiste als Mitglied einer internationalen Delegation nach Kolumbien, die sich für die Rechte indigener Einwohner und für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in den Minen einsetzt. Seit Jahren engagieren sich Nichtregierungsorganisationen aus mehreren Ländern dafür, und legen dabei ein besonderes Augenmerk auf das Verhalten der multinationalen Konzerne aus den USA, aus Australien, und auch von Glencore. Der Schweizer Multi ist in Kolumbien vor 11 Jahren ins Bergbaugeschäft eingestiegen:
SS: "Glencore hat 1996 ein Handelsunternehmen aufgekauft, das auch Beteiligungen an Kohlenminen hatte, war dann während mehreren Jahren beteiligt an der grössten offenen Kohlenmine im Norden Kolumbiens, in El Cerrejón, und hat 2004 begonnen, vier weitere kleinere Kohlenminen im Nachbardepartement aufzukaufen und ist jetzt … im Kohlensektor relativ gut positioniert."
Der Aufstieg von Glencore zum wichtigen Kohleproduzenten war begleitet von Konflikten. Dorfgemeinschaften wurden vertrieben und zerstört. Es wurden zwar Entschädigungen angeboten, doch sie reichten meist nicht aus, eine neue Existenz aufzubauen. Eingeborene wehrten sich, wollten nicht weichen, wurden gewaltsam vertrieben, es gab Verletzte und gar Tote. Und noch mehr Ungemach droht, denn Kolumbien will in Kürze zum weltweit drittwichtigsten Kohleanbieter aufsteigen. Der Begbau wird noch mehr Böden beanspruchen. Für das Land bedeutet das hohe Deviseneinnahmen, weshalb ausländische Investoren hoch willkommen sind.
Der lokalen Bevölkerung bringt der Kohleboom allerdings wenig, hat Stephan Suhner bei seinem jüngsten Aufenthalt in der Bergbauregion erneut feststellen müssen:
SS: "Das Dorf, wo Glencore die Mine betreibt, ist etwa das zweit- oder drittreichste Dorf Kolumbiens, nur sieht man davon nichts. Das Dorf ist so arm wie jedes andere Dorf in Kolumbien: kein Trinkwasser, der Strom geht immer wieder weg, die Kindersterblichkeit ist enorm hoch, Umweltbelastung – es sind Dörfer, die mitten im Reichtum existieren, aber selber total arm sind und [wo] die Korruption eigentlich alle Gelder wegfrisst."
Da verwundert es nicht, dass die lokale Bevölkerung und die Mineure unzufrieden sind, immer wieder aufbegehren und versuchen, Bergbaukonzerne wie Glencore unter Druck zu setzen. Doch die Arbeiter und ihre Gewerkschaften haben das gleiche Problem mit Glencore wie Journalisten oder Unternehmensberater, die mehr über die Geschäftspolitik des Rohstoffunternehmens wissen möchten. Das hat Stephan Suhner bei seinem jüngsten Aufenthalt in Kolumbien erneut erfahren:
SS: "Die Arbeiter beschweren sich darüber, dass sie mit Glencore selbst noch gar nie gesprochen haben, dass Glencore für sie kein Gesicht hat. Aber man weiss natürlich, dass Marc Rich einer der Gründer war, und sie haben ein relativ schlechtes Bild von Glencore, ohne die Firma wirklich zu kennen."
Stephan Suhner ist einer der wenigen Aussenstehenden, dem vergönnt war, mit Glencore-Verantwortlichen reden zu können. Er hat in Kolumbien lange um ein Gespräch gebeten – vergeblich, hat er bereits gedacht. Doch am Tag vor seiner Abreise wurde er doch noch empfangen:
SS: "Ich war darüber sehr überrascht. Ich hatte es nicht erwartet. Die beiden Personen haben sehr betont, dass sie neu in der Region sind, dass sie die Sachen besser machen wollen. Sie haben versprochen, mehr Leute direkt einzustellen, zu besseren Bedingungen. Sie wollen soziale Institutionen fördern in der Region. Also in dem Sinn, wenn man sie mal beim Wort nehmen möchte, sehr positiv."
Doch ob es mehr als nur Versprechen sind, wird sich weisen. Stephan Suhner hofft es, bleibt aber skeptisch. Er wird jedenfalls genau beobachten, wie es weitergeht – als Sekretär der Arbeitsgruppe Kolumbien-Schweiz [sic] und zusammen mit NROs aus den USA und anderen Ländern. Und bricht in Kolumbien der Streit wieder aus, werden sie wieder protestieren und öffentlich Druck machen und versuchen, den Arbeitern Rückhalt zu geben.
Doch zurück in die Schweiz: Hier, in der Glencore-Zentrale in Baar, gelten wieder die bekannten Verhaltensregeln. Dem Journalisten war es nicht vergönnt, mit Glencore-Vertretern zu reden. Per Mail wurde ihm nur beschieden: "Nach unserer Meinung haben die Unternehmen die Verantwortung, richtig zu handeln, anstatt über Verantwortung zu berichten."
Das befriedigt nicht nur den Berichterstatter nicht. Auch Klaus-Rainer Kirchhoff von der Kirchhoff-Consulting erwartete mehr von einem bedeutenden Rohstoffkonzern, wie Glencore einer ist:
KRK: "Was den Umgang mit den Mitarbeitern angeht, was die Wahrnehmung von gesellschaftlicher Verantwortung angeht, was den Bereich Umwelt angeht, da ist es eigentlich relativ egal, ob ein Unternehmen an der Börse ist oder nicht. Es hat darüber Rechenschaft abzulegen, und es hat da auch Verantwortung zu übernehmen."
Doch, ob der Appell in der Zentrale gehört wird? Man wird es sehen, wenn sich Klaus-Rainer Kirchhoff zusammen mit seinen prominenten Juri-Mitgliedern, wie dem langjährigen ehemaligen Nestlé-Chef Helmut Maucher und dem ehemaligen Chef des UNO-Umweltprogramms, Klaus Töpfer, daran macht, sein nächstes Good Company Ranking zu erstellen.
Man kann gespannt sein, ob Glencore auch dann wieder, weniger als alle anderen Grosskonzerne Europas, in seine Geschäftsbücher und Praktiken blicken lässt.
Absage: Der heimliche Rohstoffriese Glencore und sein unheimliches Geschäftsgebaren – das war der Beitrag von Markus Mugglin.
****
Zur Zeit zu hören auf http://www.trend.drs.ch
(Un-)heimliche Glencore AG
[Trend, 08. September 2007, 08.30-08.45 h, DRS 1]
Online Aufhänger:
Was unter Marc Rich als Rohstoffhändler begann, hat sich unter der Firmenbezeichnung «Glencore» zum weitaus grössten Schweizer Unternehmen mit Niederlassungen auf allen Kontinenten entwickelt. «Glencore» ist der verschwiegenste unter allen europäischen Grosskonzernen. Wenn der Rohstoffmulti dennoch von sich reden macht, dann wegen Streiks, Entlassungen oder Verstaatlichungen in Lateinamerika.
«Trend» berichtet über den auf Diskretion bedachten Rohstoffgiganten aus Baar bei Zug.
[Eine Sendung von] Rainer Borer
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SENDUNG [Transkript: Margaret Powell]
"Nuestra respuesta es, primero queremos saber quién es Glencore" – "Zuerst möchten wir wissen, wer ist Glencore?" In Bolivien wurde eine Glencore-Mine verstaatlicht. Über Entschädigungen sprechen will der Bolivianische Handelsbeauftragte Pablo Solón jedoch erst, wenn er weiss, wer hinter der in Baar bei Zug domizilierten Rohstoffgesellschaft steckt, dem notabene vom Umsatz her grössten Unternehmen der Schweiz. In der Zentrale des verschlossenen Rohstoffhändlers und Minenbesitzers in Baar stellt man sich taub; Interviews gibt man nicht. – Glencore und die heimlichen – oder vielleicht gar unheimlichen? – Geschäfte: Thema heute im Trend. Am Mikrophon: Rainer Borer.
Glencore International ist der grösste unter den Schweizer Konzernen. Der Rohstoffmulti übertrifft umsatzmässig bei weitem sogar den Nahrungsmittelgiganten Nestlé, und mit Riesenschritten weiten die Baarer Rohstoffähndler ihr Imperium aus. In nur zwei Jahren haben sie ihren Umsatz verdoppelt. Und das ist schon fast alles, was der geheimnisumwitterte Konzern Glencore der Öffentlichkeit preisgibt.
Markus Mugglin hat sich auf Spurensuche gemacht und stellte fest, dass Glencore auf der ganzen Welt mehr von sich reden macht, als dem Unternehmen recht sein kann.
Markus Mugglin:
Das Deutsche Managermagazin publizierte im Frühjahr sein neuestes Good Company Ranking über die 120 grössten Konzerne Europas. Die Rangliste bewertet, wie rentabel, sozial und zugleich umweltbewusst die Unternehmen sind. Renommierte Konzerne schmücken die ersten Plätze: das Pharmaunternehmen BASF, der deutsche Waschmittel- und Kosmetikkonzern Henkel und die britische Anglo-American.
Die Grossbank UBS folgt als erstes Schweizer Unternehmen an sechster Stelle. Ins vorderste Drittel der geprüften Unternehmen bringen es auch Roche und Nestlé. Ganz am Schluss der Good Company Rangliste steht Glencore. Der Rohstoffmulti aus Baar bei Zug erhielt von allen 120 die schlechtesten Zensuren. Von maximal 100 Punkten schafft Glencore gerade mal 1,5 – noch deutlich weniger als Aldi und Lidl, die unmittelbar davor rangieren.
Klaus-Rainer Kirchhoff von der gleichnamigen Consulting-Firma, der die Untersuchung zusammen mit dem Beratungsunternehmen Deloitte im Auftrag des Manager-Magazins durchführte, begründet, weshalb Glencore schlechter als alle anderen abschneidet:
KRK am Telefon: "Wir haben für die Auswertung und Bewertung der Unternehmen alle verfügbaren Quellen herangezogen und zusätzlich die Unternehmen angeschrieben und darum gebeten, dass sie uns darüber hinausgehend Material zur Verfügung stellen. Wir haben von Glencore nichts erhalten, und das was in der Öffentlichkeit zugänglich ist, ist völlig aussagelos. … Wir haben deshalb zu den entscheidenden Fragen und Kriterien keine Informationen gefunden. Das ist der Grund, weshalb das Unternehmen ganz unten gelandet ist. …"
Abgeschlagen auf Platz 120. Wie reagiert man in der Glencore-Zentrale auf das vernichtende Urteil? Darüber hätten wir gerne mit den Verantwortlichen in Baar gesprochen. Doch zum Gespräch kam es nicht. Glencore teilte lediglich per Mail mit: "Glencore ist ein privat gehaltenes Unternehmen und nicht verpflichtet, öffentlich Bericht zu erstatten."
Klaus-Rainer Kirchhoff lässt diesen Grund nicht gelten: Viele andere, nicht an der Börse kotierte Unternehmen gäben Einblick in ihr Geschäftsgebaren und sähen ein, dass sie unabhängig von ihrer Rechtsform und Eigentumsverhältnissen gegenüber der Öffentlichkeit rechenschaftspflichtig seien:
KRK: "Ein Unternehmen, was so bedeutsam ist, was indirekt und direkt über 50'000 Menschen beschäftigt, hat einfach auch eine Verantwortung, Transparenz zu schaffen, Vertrauen zu schaffen, Akzeptanz zu schaffen, und dem kommt dieses Unternehmen überhaupt nicht nach."
Glencore war lange Zeit nur Rohstoffhändler. Seit ein paar Jahren investiert das Unternehmen aber massiv in die Rohstoffproduktion. Es produziert Rohöl und Kohle und baut Kupfer, Zink, Nickel und weitere Metalle ab. Das aus dem Steuerparadies Zug dirigierte Unternehmen hält Beteiligungen auf allen Kontinenten, ist in einem Dutzend Länder präsent und beschäftigt weltweit 50'000 Personen, allein in Kasachstan 20'000. In Südamerika und Afrika stehen je rund 10'000 im Solde des Rohstoffmultis.
Doch die Expansion ins Minengeschäft bringt Glencore wiederholt in Konflikt mit Einheimischen – in Bolivien zu Beginn des Jahres gar mit der Regierung. Boliviens Präsident Evo Morales nationalisierte per Dekret das Erzschmelzwerk von Glencore – offizielle Begründung: Glencore habe das Werk nicht rechtmässig erworben. Das Zuger Unternehmen bestreitet das und fordert, nach der Enteignung zumindest entschädigt zu werden. Bolivien will nicht darauf eintreten. Man wolle klären, unter welchen Umständen Glencore das Schmelzwerk gekauft habe, bevor über eine Kompensation verhandelt werde, gibt der Handelsbeauftragte der bolivianischen Regierung, Pablo Solón, zu verstehen:
PS: "Antes de hablar de cualquier indemnización, primero tenemos que esclarecer la verdad. Porque no puede haber indemnización sobre la base de hechos absolutamente obscuros."
Und eine Kompensation könne es nur geben, sofern der Kauf der Mine rechtmässig erfolgt sei.
Nicht nur in Bolivien, auch anderswo kam es in Niederlassungen von Glencore und des Rohstoffkonzerns Xstrata, an der Glencore ein Drittel hält, zu Konflikten: In Peru, in Argentinien, in Sambia, und vor allem in Kolumbien. Mal waren es Arbeitskonflikte mit Entlassungen und Streiks, andere Male gab es Streit mit der lokalen Bevölkerung.
Stephan Suhner von der Arbeitsgruppe Kolumbien-Schweiz [sic, sollte eigentlich Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien heissen] hielt sich während eines Monats im Norden von Kolumbien auf, wo er in La Jagua Zeuge eines Arbeitskonflikts in der von Glencore kontrollierten Kohlemine wurde:
StS: "Am Tag als wir in Kolumbien angekommen sind, hat eine Tochterfirma von Glencore 117 Arbeiter entlassen. Das waren Arbeiter einer Temporärfirma. Deren Vertrag wurde von einem Tag auf den andern aufgekündigt ohne Angabe von genauen Gründen. Die entlassenen Arbeiter haben dann einerseits die Zugänge zur Mine blockiert, andererseits haben 30 Arbeiter innerhalb der Mine protestiert."
Der Konflikt eskalierte, kolumbianische Sicherheitskräfte gingen gewaltsam vor, Menschen wurden verletzt. Schliesslich hat das Unternehmen einen Teil der Belegschaft wieder eingestellt. Über das Schicksal der übrigen Arbeiter wird noch verhandelt.
Stephan Suhner reiste als Mitglied einer internationalen Delegation nach Kolumbien, die sich für die Rechte indigener Einwohner und für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in den Minen einsetzt. Seit Jahren engagieren sich Nichtregierungsorganisationen aus mehreren Ländern dafür, und legen dabei ein besonderes Augenmerk auf das Verhalten der multinationalen Konzerne aus den USA, aus Australien, und auch von Glencore. Der Schweizer Multi ist in Kolumbien vor 11 Jahren ins Bergbaugeschäft eingestiegen:
SS: "Glencore hat 1996 ein Handelsunternehmen aufgekauft, das auch Beteiligungen an Kohlenminen hatte, war dann während mehreren Jahren beteiligt an der grössten offenen Kohlenmine im Norden Kolumbiens, in El Cerrejón, und hat 2004 begonnen, vier weitere kleinere Kohlenminen im Nachbardepartement aufzukaufen und ist jetzt … im Kohlensektor relativ gut positioniert."
Der Aufstieg von Glencore zum wichtigen Kohleproduzenten war begleitet von Konflikten. Dorfgemeinschaften wurden vertrieben und zerstört. Es wurden zwar Entschädigungen angeboten, doch sie reichten meist nicht aus, eine neue Existenz aufzubauen. Eingeborene wehrten sich, wollten nicht weichen, wurden gewaltsam vertrieben, es gab Verletzte und gar Tote. Und noch mehr Ungemach droht, denn Kolumbien will in Kürze zum weltweit drittwichtigsten Kohleanbieter aufsteigen. Der Begbau wird noch mehr Böden beanspruchen. Für das Land bedeutet das hohe Deviseneinnahmen, weshalb ausländische Investoren hoch willkommen sind.
Der lokalen Bevölkerung bringt der Kohleboom allerdings wenig, hat Stephan Suhner bei seinem jüngsten Aufenthalt in der Bergbauregion erneut feststellen müssen:
SS: "Das Dorf, wo Glencore die Mine betreibt, ist etwa das zweit- oder drittreichste Dorf Kolumbiens, nur sieht man davon nichts. Das Dorf ist so arm wie jedes andere Dorf in Kolumbien: kein Trinkwasser, der Strom geht immer wieder weg, die Kindersterblichkeit ist enorm hoch, Umweltbelastung – es sind Dörfer, die mitten im Reichtum existieren, aber selber total arm sind und [wo] die Korruption eigentlich alle Gelder wegfrisst."
Da verwundert es nicht, dass die lokale Bevölkerung und die Mineure unzufrieden sind, immer wieder aufbegehren und versuchen, Bergbaukonzerne wie Glencore unter Druck zu setzen. Doch die Arbeiter und ihre Gewerkschaften haben das gleiche Problem mit Glencore wie Journalisten oder Unternehmensberater, die mehr über die Geschäftspolitik des Rohstoffunternehmens wissen möchten. Das hat Stephan Suhner bei seinem jüngsten Aufenthalt in Kolumbien erneut erfahren:
SS: "Die Arbeiter beschweren sich darüber, dass sie mit Glencore selbst noch gar nie gesprochen haben, dass Glencore für sie kein Gesicht hat. Aber man weiss natürlich, dass Marc Rich einer der Gründer war, und sie haben ein relativ schlechtes Bild von Glencore, ohne die Firma wirklich zu kennen."
Stephan Suhner ist einer der wenigen Aussenstehenden, dem vergönnt war, mit Glencore-Verantwortlichen reden zu können. Er hat in Kolumbien lange um ein Gespräch gebeten – vergeblich, hat er bereits gedacht. Doch am Tag vor seiner Abreise wurde er doch noch empfangen:
SS: "Ich war darüber sehr überrascht. Ich hatte es nicht erwartet. Die beiden Personen haben sehr betont, dass sie neu in der Region sind, dass sie die Sachen besser machen wollen. Sie haben versprochen, mehr Leute direkt einzustellen, zu besseren Bedingungen. Sie wollen soziale Institutionen fördern in der Region. Also in dem Sinn, wenn man sie mal beim Wort nehmen möchte, sehr positiv."
Doch ob es mehr als nur Versprechen sind, wird sich weisen. Stephan Suhner hofft es, bleibt aber skeptisch. Er wird jedenfalls genau beobachten, wie es weitergeht – als Sekretär der Arbeitsgruppe Kolumbien-Schweiz [sic] und zusammen mit NROs aus den USA und anderen Ländern. Und bricht in Kolumbien der Streit wieder aus, werden sie wieder protestieren und öffentlich Druck machen und versuchen, den Arbeitern Rückhalt zu geben.
Doch zurück in die Schweiz: Hier, in der Glencore-Zentrale in Baar, gelten wieder die bekannten Verhaltensregeln. Dem Journalisten war es nicht vergönnt, mit Glencore-Vertretern zu reden. Per Mail wurde ihm nur beschieden: "Nach unserer Meinung haben die Unternehmen die Verantwortung, richtig zu handeln, anstatt über Verantwortung zu berichten."
Das befriedigt nicht nur den Berichterstatter nicht. Auch Klaus-Rainer Kirchhoff von der Kirchhoff-Consulting erwartete mehr von einem bedeutenden Rohstoffkonzern, wie Glencore einer ist:
KRK: "Was den Umgang mit den Mitarbeitern angeht, was die Wahrnehmung von gesellschaftlicher Verantwortung angeht, was den Bereich Umwelt angeht, da ist es eigentlich relativ egal, ob ein Unternehmen an der Börse ist oder nicht. Es hat darüber Rechenschaft abzulegen, und es hat da auch Verantwortung zu übernehmen."
Doch, ob der Appell in der Zentrale gehört wird? Man wird es sehen, wenn sich Klaus-Rainer Kirchhoff zusammen mit seinen prominenten Juri-Mitgliedern, wie dem langjährigen ehemaligen Nestlé-Chef Helmut Maucher und dem ehemaligen Chef des UNO-Umweltprogramms, Klaus Töpfer, daran macht, sein nächstes Good Company Ranking zu erstellen.
Man kann gespannt sein, ob Glencore auch dann wieder, weniger als alle anderen Grosskonzerne Europas, in seine Geschäftsbücher und Praktiken blicken lässt.
Absage: Der heimliche Rohstoffriese Glencore und sein unheimliches Geschäftsgebaren – das war der Beitrag von Markus Mugglin.
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Zur Zeit zu hören auf http://www.trend.drs.ch
Wednesday, 5 September 2007
Alliance Sud zum Gebana-Pilotprojekt "Bio&Fair Treibstoff"
Guten Tag und willkommen zum neuesten Eintrag in meinem Blog.
Heute möchte ich eine Stellungnahme von Alliance Sud zu einem Ag(g)rotreibstoff-Projekt der Gebana mit Euch teilen. Kolumbien ist insofern betroffen, als die gegenwärtige Regierung irrsinnige Projekte verfolgt, auf Hunderttausenden von Hektaren Land – auch bisher unberührte Urwälder mit unermesslichen Schätzen an Flora und Fauna – Ölpalmen für die Produktion von sogenanntem Biodiesel anzupflanzen. Was dabei verschwiegen wird, sind Vertreibungen von Tausenden von Kleinbauern, die Zerstörung von unberührter Natur, die Tatsache, dass eine Ölpalm-Plantage eine Lebenszeit von ca. 30 Jahren hat -- danach ist der Boden wegen dichter Wurzelung kaum mehr für etwas zu brauchen, oder nur mit riesigem Aufwand. Wieder einmal regieren kurzfristige Profitinteressen. Natürlich ist es nicht die kolumbianische Regierung, die da allein wirkt – dafür braucht es die Ag(g)roindustrie, und dazu gehören auch Multis mit Sitz in der Schweiz (zB Syngenta, einem der grössten Chemiemultis der Welt -- via Novartis aus dem Zusammenschluss Mitte der 1990er Jahre von Sandoz und Ciba entstanden).
Mit Nachdruck unterstütze ich die Aussage von Rosmarie Bär im nachfolgenden Communiqué: "Der Weg in eine nachhaltige Energie- und Klimapolitik führt über eine CO2-Abgabe, über Effizienz und Sparsamkeit."
Danke für Ihre/Deine Mitarbeit, damit wir diesem Ziel Tag für Tag näher kommen.
*******
Gebana-Pilotprojekt „Bio&Fair Treibstoff“
Stellungnahme [von Alliance Sud] an der Medienkonferenz vom 28. August 2007
Fair Trade mit Biotreibstoffen?
Von Rosmarie Bär, Alliance Sud
(http://www.alliancesud.ch/deutsch/pagesnav/frames.htm)
Ich halte es gleich zu Beginn und unmissverständlich fest: Alliance Sud hat nicht die Seite gewechselt. Weder stimmen wir in ein generelles Lied der Euphorie auf Agrotreibstoffe aus Entwicklungsländern ein, noch verschenken wir doppelte Cumuluspunkte an die Migrol. Für Alliance Sud sind Agrartreibstoffe aus dem Süden kein taugliches Mittel, um den globalen Klimawandel zu stoppen, noch eine Chance für Entwicklungsländer, mit dem Export dieser Treibstoffe auf breiter Basis ihre Armut zu verringern.
Vier Medienmitteilungen, die in den letzten Wochen erschienen sind, zeigen, wie berechtigt und nötig eine kritische Haltung zum energie- und klimapolitischen Bestseller mit der verführerischen oder vielmehr irreführenden Bezeichnung „Biotreibstoffe“ ist:
Die erste Meldung: Die Gesellschaft für bedrohte Völker warnt davor, „dass der Bioenergieboom in Europa Millionen Ureinwohnerinnen und Ureinwohner in Ländern des Südens in Bedrängnis bringt. Allein in Indonesien und Malaysia sind rund 47 Millionen Angehörige indigener Völker von der geplanten Ausweitung des Anbaus von Ölpalmen betroffen“.
Die zweite Mitteilung kommt von der internationalen Wasserwoche in Stockholm: „Expertinnen und Experten haben in Stockholm vor einer massiven Wasserverknappung durch die erwartete Massenproduktion von Ethanol und anderen Biotreibstoffen für Autos gewarnt. Als ungelöstes Problem bezeichneten sie auch die Notwendigkeit riesiger Anbauflächen für die Biobrennstoffe.“
Die dritte Meldung: „Die Produktion von Biotreibstoffen kann weltweit zu Hunderttausenden von Hungertoten führen, warnt Jean Ziegler, UN-Sonderbotschafter für das Recht auf Nahrung. Laut Ziegler breiten sich in Nord- und Ostbrasilien immer mehr Zuckerplantagen für die Ethanol-Produktion aus, wodurch immer weniger Land für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern übrig bleibe.“
Die vierte Meldung ist ein Protestschreiben von europäischen NGOs an ihre Regierungen: „Die Europäische Investment Bank (EIB) plant die Vergabe von Krediten über gut 37 Millionen Euro an EU-Konzerne, die in den brasilianischen Markt für Agrotreibstoffe investieren wollen. Das hat noch mehr Monokulturen zur Folge, bedroht sensible Ökosysteme wie Amazonas und Pantanal sowie die Nahrungsmittelversorgung der armen Bevölkerung“.
Trotzdem nimmt Alliance Sud an dieser Medienkonferenz teil. Weshalb? Weil wir das Pilotprojekt, das Gebana heute lanciert, aus unserer kritischen entwicklungspolitischen Perspektive geprüft und an den Kriterien gemessen haben, an die der Einsatz von „Biotreibstoffen“ – zusätzlich zu einer positiven Ökobilanz – zwingend gebunden werden muss. Zu welchen Schlüssen sind wir dabei gekommen?
1. Das Pilotprojekt kommt für die Schweiz zur richtigen Zeit. Im Moment läuft auf Bundesebene die Vernehmlassung zur Revision der Mineralölsteuerverordnung. Bekanntlich sollen nach dem Willen des Bundesrates und des Parlamentes als Beitrag zum Klimaschutz vermehrt Agrotreibstoffe getankt werden. Dazu sollen sie ab dem 1.1.08 von der Mineralölsteuer befreit werden. Allerdings hat das Parlament – nicht zuletzt auf Druck von Hilfswerken und Umweltorganisationen – als Voraussetzung für die Steuerbefreiung eine positive ökologische Gesamtbilanz ins Gesetz geschrieben, aber auch soziale Produktionsstandards verlangt. Das federführende Finanzdepartement behauptet nun, die soziale Dimension sei bis auf weiteres nicht zu fassen, man müsse auf ein internationales Label warten und das brauche Zeit. Eine solche Ignoranz der gesetzlichen Auftrages ist nicht akzeptabel.
Gebana liefert mit ihrem Pilotprojekt den Beweis, dass es soziale Kriterien gibt, die erfüllt werden können und müssen, u.a.:
• Soziale und gesundheitliche Mindestanforderungen nach den ILO-Konventionen
• Keine Kinderarbeit
• Existenzsichernde Löhne
• Organisationsfreiheit und Kollektivverhandlungen
• Lohngleichheit von Mann und Frau
• Schutzkleidung etc.
2. Das Pilotprojekt untergräbt weder die Ernährungssicherheit der Bevölkerung noch treibt es die Nahrungsmittelpreise in die Höhe. Es wird kein Land beansprucht oder weggenommen, auf dem bis anhin Nahrungsmittel gepflanzt wurden: Es wird nicht für den Tank statt für den Teller produziert.
3. Beim Gebana-Projekt handelt es sich nicht um industrielle Plantagen und Monokulturen in der Hand von Agro- und Erdöl-Konzernen mit sklavenähnlichen Arbeitsverhältnissen. Es sind selbständige Kleinbauernfamilien, die auf ihrem Land unter dem Label „bio&fair“ Soja als Nahrung für Menschen pflanzen. Vom „Nebenprodukt“ Sojaöl ihrer Lebensmittelproduktion können sie zusätzlich profitieren.
4. Das Gebana-Pilotprojekt führt in diesem Rahmen zu keinen Abholzungen und Rodungen. Umso wichtiger ist es, dass Gebana die Warnung des Umweltberatungsunternehmens Carbotech ernst zu nehmen, wenn es in seiner Studie schreibt: „... zudem ist zu beachten, dass jede zusätzliche Nutzung von Sojaöl zu einem erhöhten Druck auf den Urwald und damit indirekt zu einer Abholzung führen kann“.
Das Fazit aus entwicklungspolitischer Sicht: Das Pilotprojekt zeigt klar die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen und die Gefahren des Agrotreibstoff-Geschäfts auf. Wir bewerten das Pilotprojekt positiv, weil es zeigt, dass es auch anders geht. Es zeigt eine Alternative auf zur weltweiten Agrotreibstoff-Produktion, mit all ihren verheerenden ökologischen und sozialen Folgen.
Nach wie vor aber gilt: An den Agrartreibstoffen wird das Klima nicht genesen und die Ölabhängigkeit der Industriestaaten nicht verringert. Insbesondere im Verkehrsbereich nimmt der Energieverbrauch – wie wir alle wissen – weiterhin zu. Agrotreibstoff wird lediglich als zusätzliche Energiequelle für einen weiterhin steigenden Energiebedarf angezapft. Es ist deshalb ein falscher Ansatz und greift zu kurz, wenn wir Agrotreibstoffe fiskalisch begünstigen, gleichzeitig immer mehr und immer verbrauchsintensivere Autos herumfahren und immer mehr Lastwagen quer durch Europa unterwegs sind. Der vermeintliche Weg aus der Treibhausfalle ist so eine Sackgasse. Nicht zuletzt, weil die grössten Verbraucher von Agrotreibstoffen, unter ihnen die USA, gegen jegliche Veränderung des Mobilitätsverhaltens und der Konsum- und Produktionsmuster in den Industrieländern sind. Sie weigern sich auch, auf internationaler Ebene verbindliche Klimaschutzziele zu anerkennen. Der Weg in eine nachhaltige Energie- und Klimapolitik führt über eine CO2-Abgabe, über Effizienz und Sparsamkeit.
Vor allem aber greifen wir mit der gegenwärtigen „Agrotreibstoff-Politik“ nach der Nahrung der Ärmsten, um unsere Autos zu füttern. Dies kommt einem neokolonialen Übergriff gleich, mit dem wir die Menschenrechte in den Entwicklungsländern verletzen, nicht zuletzt das Recht auf Nahrung. Watch Indonesien, eine NGO, die sich mit der Problematik befasst, appellierte kürzlich an der UNO in New York: „Löst eure Energieprobleme nicht auf unsere Kosten!“
Mit seinem Pilotprojekt beherzigt Gebana diese Aufforderung. Nicht mehr und nicht weniger.
Kontakt: Rosmarie Bär
Gebana AG: http://www.gebana.com/htm/vom_bauern_d.htm
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Quelle dieses mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin hier veröffentlichten Artikels: http://www.alliancesud.ch/deutsch/pagesnav/frames.htm
Heute möchte ich eine Stellungnahme von Alliance Sud zu einem Ag(g)rotreibstoff-Projekt der Gebana mit Euch teilen. Kolumbien ist insofern betroffen, als die gegenwärtige Regierung irrsinnige Projekte verfolgt, auf Hunderttausenden von Hektaren Land – auch bisher unberührte Urwälder mit unermesslichen Schätzen an Flora und Fauna – Ölpalmen für die Produktion von sogenanntem Biodiesel anzupflanzen. Was dabei verschwiegen wird, sind Vertreibungen von Tausenden von Kleinbauern, die Zerstörung von unberührter Natur, die Tatsache, dass eine Ölpalm-Plantage eine Lebenszeit von ca. 30 Jahren hat -- danach ist der Boden wegen dichter Wurzelung kaum mehr für etwas zu brauchen, oder nur mit riesigem Aufwand. Wieder einmal regieren kurzfristige Profitinteressen. Natürlich ist es nicht die kolumbianische Regierung, die da allein wirkt – dafür braucht es die Ag(g)roindustrie, und dazu gehören auch Multis mit Sitz in der Schweiz (zB Syngenta, einem der grössten Chemiemultis der Welt -- via Novartis aus dem Zusammenschluss Mitte der 1990er Jahre von Sandoz und Ciba entstanden).
Mit Nachdruck unterstütze ich die Aussage von Rosmarie Bär im nachfolgenden Communiqué: "Der Weg in eine nachhaltige Energie- und Klimapolitik führt über eine CO2-Abgabe, über Effizienz und Sparsamkeit."
Danke für Ihre/Deine Mitarbeit, damit wir diesem Ziel Tag für Tag näher kommen.
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Gebana-Pilotprojekt „Bio&Fair Treibstoff“
Stellungnahme [von Alliance Sud] an der Medienkonferenz vom 28. August 2007
Fair Trade mit Biotreibstoffen?
Von Rosmarie Bär, Alliance Sud
(http://www.alliancesud.ch/deutsch/pagesnav/frames.htm)
Ich halte es gleich zu Beginn und unmissverständlich fest: Alliance Sud hat nicht die Seite gewechselt. Weder stimmen wir in ein generelles Lied der Euphorie auf Agrotreibstoffe aus Entwicklungsländern ein, noch verschenken wir doppelte Cumuluspunkte an die Migrol. Für Alliance Sud sind Agrartreibstoffe aus dem Süden kein taugliches Mittel, um den globalen Klimawandel zu stoppen, noch eine Chance für Entwicklungsländer, mit dem Export dieser Treibstoffe auf breiter Basis ihre Armut zu verringern.
Vier Medienmitteilungen, die in den letzten Wochen erschienen sind, zeigen, wie berechtigt und nötig eine kritische Haltung zum energie- und klimapolitischen Bestseller mit der verführerischen oder vielmehr irreführenden Bezeichnung „Biotreibstoffe“ ist:
Die erste Meldung: Die Gesellschaft für bedrohte Völker warnt davor, „dass der Bioenergieboom in Europa Millionen Ureinwohnerinnen und Ureinwohner in Ländern des Südens in Bedrängnis bringt. Allein in Indonesien und Malaysia sind rund 47 Millionen Angehörige indigener Völker von der geplanten Ausweitung des Anbaus von Ölpalmen betroffen“.
Die zweite Mitteilung kommt von der internationalen Wasserwoche in Stockholm: „Expertinnen und Experten haben in Stockholm vor einer massiven Wasserverknappung durch die erwartete Massenproduktion von Ethanol und anderen Biotreibstoffen für Autos gewarnt. Als ungelöstes Problem bezeichneten sie auch die Notwendigkeit riesiger Anbauflächen für die Biobrennstoffe.“
Die dritte Meldung: „Die Produktion von Biotreibstoffen kann weltweit zu Hunderttausenden von Hungertoten führen, warnt Jean Ziegler, UN-Sonderbotschafter für das Recht auf Nahrung. Laut Ziegler breiten sich in Nord- und Ostbrasilien immer mehr Zuckerplantagen für die Ethanol-Produktion aus, wodurch immer weniger Land für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern übrig bleibe.“
Die vierte Meldung ist ein Protestschreiben von europäischen NGOs an ihre Regierungen: „Die Europäische Investment Bank (EIB) plant die Vergabe von Krediten über gut 37 Millionen Euro an EU-Konzerne, die in den brasilianischen Markt für Agrotreibstoffe investieren wollen. Das hat noch mehr Monokulturen zur Folge, bedroht sensible Ökosysteme wie Amazonas und Pantanal sowie die Nahrungsmittelversorgung der armen Bevölkerung“.
Trotzdem nimmt Alliance Sud an dieser Medienkonferenz teil. Weshalb? Weil wir das Pilotprojekt, das Gebana heute lanciert, aus unserer kritischen entwicklungspolitischen Perspektive geprüft und an den Kriterien gemessen haben, an die der Einsatz von „Biotreibstoffen“ – zusätzlich zu einer positiven Ökobilanz – zwingend gebunden werden muss. Zu welchen Schlüssen sind wir dabei gekommen?
1. Das Pilotprojekt kommt für die Schweiz zur richtigen Zeit. Im Moment läuft auf Bundesebene die Vernehmlassung zur Revision der Mineralölsteuerverordnung. Bekanntlich sollen nach dem Willen des Bundesrates und des Parlamentes als Beitrag zum Klimaschutz vermehrt Agrotreibstoffe getankt werden. Dazu sollen sie ab dem 1.1.08 von der Mineralölsteuer befreit werden. Allerdings hat das Parlament – nicht zuletzt auf Druck von Hilfswerken und Umweltorganisationen – als Voraussetzung für die Steuerbefreiung eine positive ökologische Gesamtbilanz ins Gesetz geschrieben, aber auch soziale Produktionsstandards verlangt. Das federführende Finanzdepartement behauptet nun, die soziale Dimension sei bis auf weiteres nicht zu fassen, man müsse auf ein internationales Label warten und das brauche Zeit. Eine solche Ignoranz der gesetzlichen Auftrages ist nicht akzeptabel.
Gebana liefert mit ihrem Pilotprojekt den Beweis, dass es soziale Kriterien gibt, die erfüllt werden können und müssen, u.a.:
• Soziale und gesundheitliche Mindestanforderungen nach den ILO-Konventionen
• Keine Kinderarbeit
• Existenzsichernde Löhne
• Organisationsfreiheit und Kollektivverhandlungen
• Lohngleichheit von Mann und Frau
• Schutzkleidung etc.
2. Das Pilotprojekt untergräbt weder die Ernährungssicherheit der Bevölkerung noch treibt es die Nahrungsmittelpreise in die Höhe. Es wird kein Land beansprucht oder weggenommen, auf dem bis anhin Nahrungsmittel gepflanzt wurden: Es wird nicht für den Tank statt für den Teller produziert.
3. Beim Gebana-Projekt handelt es sich nicht um industrielle Plantagen und Monokulturen in der Hand von Agro- und Erdöl-Konzernen mit sklavenähnlichen Arbeitsverhältnissen. Es sind selbständige Kleinbauernfamilien, die auf ihrem Land unter dem Label „bio&fair“ Soja als Nahrung für Menschen pflanzen. Vom „Nebenprodukt“ Sojaöl ihrer Lebensmittelproduktion können sie zusätzlich profitieren.
4. Das Gebana-Pilotprojekt führt in diesem Rahmen zu keinen Abholzungen und Rodungen. Umso wichtiger ist es, dass Gebana die Warnung des Umweltberatungsunternehmens Carbotech ernst zu nehmen, wenn es in seiner Studie schreibt: „... zudem ist zu beachten, dass jede zusätzliche Nutzung von Sojaöl zu einem erhöhten Druck auf den Urwald und damit indirekt zu einer Abholzung führen kann“.
Das Fazit aus entwicklungspolitischer Sicht: Das Pilotprojekt zeigt klar die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen und die Gefahren des Agrotreibstoff-Geschäfts auf. Wir bewerten das Pilotprojekt positiv, weil es zeigt, dass es auch anders geht. Es zeigt eine Alternative auf zur weltweiten Agrotreibstoff-Produktion, mit all ihren verheerenden ökologischen und sozialen Folgen.
Nach wie vor aber gilt: An den Agrartreibstoffen wird das Klima nicht genesen und die Ölabhängigkeit der Industriestaaten nicht verringert. Insbesondere im Verkehrsbereich nimmt der Energieverbrauch – wie wir alle wissen – weiterhin zu. Agrotreibstoff wird lediglich als zusätzliche Energiequelle für einen weiterhin steigenden Energiebedarf angezapft. Es ist deshalb ein falscher Ansatz und greift zu kurz, wenn wir Agrotreibstoffe fiskalisch begünstigen, gleichzeitig immer mehr und immer verbrauchsintensivere Autos herumfahren und immer mehr Lastwagen quer durch Europa unterwegs sind. Der vermeintliche Weg aus der Treibhausfalle ist so eine Sackgasse. Nicht zuletzt, weil die grössten Verbraucher von Agrotreibstoffen, unter ihnen die USA, gegen jegliche Veränderung des Mobilitätsverhaltens und der Konsum- und Produktionsmuster in den Industrieländern sind. Sie weigern sich auch, auf internationaler Ebene verbindliche Klimaschutzziele zu anerkennen. Der Weg in eine nachhaltige Energie- und Klimapolitik führt über eine CO2-Abgabe, über Effizienz und Sparsamkeit.
Vor allem aber greifen wir mit der gegenwärtigen „Agrotreibstoff-Politik“ nach der Nahrung der Ärmsten, um unsere Autos zu füttern. Dies kommt einem neokolonialen Übergriff gleich, mit dem wir die Menschenrechte in den Entwicklungsländern verletzen, nicht zuletzt das Recht auf Nahrung. Watch Indonesien, eine NGO, die sich mit der Problematik befasst, appellierte kürzlich an der UNO in New York: „Löst eure Energieprobleme nicht auf unsere Kosten!“
Mit seinem Pilotprojekt beherzigt Gebana diese Aufforderung. Nicht mehr und nicht weniger.
Kontakt: Rosmarie Bär
Gebana AG: http://www.gebana.com/htm/vom_bauern_d.htm
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Quelle dieses mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin hier veröffentlichten Artikels: http://www.alliancesud.ch/deutsch/pagesnav/frames.htm
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