Immer wieder treffen besorgniserregende Nachrichten aus Kolumbien ein -- das Trauerspiel um die Freilassung von Entführten durch die FARC ist "nur" eine davon.
Hier ein Aufruf von kolko e.V. - Menschenrechte für Kolumbien / kolko e.V. - derechos humanos por Colombia http://www.kolko.de und die Bitte, mal selber einen Protestbrief an die Kolumbianische Botschaft zu Handen der Regierung in Bogotá zu schicken.
Danke!
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Kolumbien: Die Erde bebt
Indigene Gemeinschaften und Natur im Aufruhr
Von: Theodor Rathgeber, Januar 2008
Die indigenen Völker im Department Cauca (Süden Kolumbiens) haben seit dem 11. November 2007 die Initiative ergriffen und sich die ‘Befreiung ihrer Territorien’ (Liberación de la Madre Tierra) von fremder Herrschaft zum Ziel gesetzt. Logistisch unterstützt durch den Regionalen Ureinwohnerrat des Cauca (CRIC; Consejo Regional Indígena del Cauca) erhoben sich die Gemeinschaften der Nasa, Totoroes, Yanacona, Polindara, Kokonuko und Guambiano in den Landkreisen (Municipios) Santander de Quilichao, Caldono, Caloto, Silvia, Piendamó, Morales, Puracé, Popayán, Suarez und Totoró und besetzten bislang 15 Areale. Im Begriff, dies zu tun, sind indigene Gemeinschaften im angrenzenden Departement Huila in den Landkreisen Itaibe und Pitalito.
Nicht erfüllte Absprachen mit der Regierung (teilweise seit über 20 Jahren), offene Vertragsbrüche, Angriffe gegen Führungspersonen und Dorfgemeinschaften, die verheerenden Folgen der Marktliberalisierung sowie einschneidende Veränderungen zentraler Gesetze ohne Konsultation (zum Wasser, Wald, Bergbau etc.) ließen Geduld und Dialogbereitschaft auf Seiten der indigenen Völker des Cauca auf den Nullpunkt sinken. Die Gemeinschaften sehen nicht nur sich selbst mit dem Rücken zur Wand, sondern haben buchstäblich die Verwüstung ihrer Umwelt vor Augen.
Von den vielen gebrochenen Versprechen stechen einige hervor, die das Absurde im Regierungshandeln zum System werden lassen.
Fallbeispiel 1: Nach dem Massaker an Landbesetzern auf der Farm El Nilo (1991, 20 Tote) kam es im Zuge der juristischen Aufarbeitung im Dezember 1991 zu einer Entschädigungsregelung, mit einer Garantieerklärung gegenüber dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte, die der betroffenen indigenen Gemeinschaft innerhalb von drei Jahren die Landrechte des von Drogenhändlern okkupierten Terrains zusprach; bislang ohne Ergebnis.
Fallbeispiel 2: Das kolumbianische Institut zur ländlichen Entwicklung (INCODER; Instituto Colombiano de Desarrollo Rural) erwarb ein Grundstück (Villa Carola), um es an Vertriebene zu verteilen, ohne sich auch nur darum zu kümmern, dass just dieses Terrain innerhalb des Reservats (resguardo) von Poblazón liegt und der Dorfgemeinschaft der Kokonuko seit 1992 zugesagt ist; bislang ohne Ergebnis.
Fallbeispiel 3: Kolumbiens Präsident, Alvaro Uribe Vélez, sagte im Dezember 2005 zu, im Landkreis Caldono mittels des Dekrets 982/1999 in einem Zeitraum von 6 Monaten 1.000 Hektar (Finca Japio) zu übereignen; bislang ohne Ergebnis. Angeblich handele es sich um ein historisches Kulturerbe der Nation, das nicht an eine indigene Gemeinschaft abgegeben werden könne. [Trotzdem wirtschaftet dort ein Forstbetrieb mit Kiefern.]
Fallbeispiel 4: Mehrere Landkreise im Department Cauca beschlossen 2003 eine Flurbereinigung und schrieben darin fest, dass zukünftig an indigene Gemeinschaften kein Land verkauft werden darf.
Fallbeispiel 5: Das Grundlagengesetz zur ländlichen Entwicklung (Estatuto de Desarrollo Rural) gibt der kommerziellen Nutzung der natürlichen Ressourcen unter Einschluss des Bodens sowie dem Schutz auswärtiger Investitionen absoluten Vorrang, was jegliche Bodenreform und Übereignung von Land an "unproduktive" Eigner verunmöglicht.
Fallbeispiel 6: Landbesetzungen beantwortet der kolumbianische Staat zunehmend mit Maßnahmen aus dem Anti-Terrorismus-Katalog; so der Einsatz von Sicherheitsdiensten gegen Landbesetzer auf der Farm La Perla im Landkreise Silvia, Gemeinderäte des Resguardo Jebalá oder gegen Demonstranten im Zuge der "Befreiungs"-Aktion. Ein Toter ist bereits zu beklagen: Lorenzo Largo Dagua, aus dem Resguardo Huellas (Landkreis Caloto), seinen Schussverletzungen erlegen am 14. Dezember 2007. Die laufende Aktion Liberación de la Madre Tierra fällt unter den Generalverdacht, von der FARC-Guerrilla koordiniert zu sein (eine abwegigere Unterstellung kann es in diesem Fall nicht geben).
Fallbeispiel 7: Nicht nur Ureinwohner sind von dieser Politik betroffen: So wurden intern Vertriebene entlang der Straße von Cali nach Buenaventura (Barrio El Colorado, Sektor La Fortuna) sowie in der Umgebung von Buenaventura (Playa Renaciente) trotz Einwänden seitens der Ombudsstelle für Menschenrechte (Defensoría del Pueblo) und der Kommission für Menschenrechte im kolumbianischen Senat mit Gewalt geräumt.
Fallbeispiel 8: Die Vorgabe, vor öffentlichen Maßnahmen, die indigene Territorien betreffen, vorab und umfassend zu informieren sowie eine Vereinbarung mit den Betroffenen zu erzielen, wird immer weniger umgesetzt; obwohl Kolumbien die ILO-Konvention 169 ratifiziert und durch das Gesetz 21/1991 in die nationale Gesetzgebung überführt hat.
Angesichts der verhärteten Gesprächsstrukturen beriefen der CRIC und die nationale Indigenenorganisation ONIC (Organización Nacional Indígena de Colombia) am 23. November außerdem eine ständige Versammlung indigener Gemeinschaften aus acht Großregionen des Cauca ein. Seit diesem Datum tagt dieses "Parlament von unten" (Parlamento Indígena Popular) auf dem Resguardo-Gebiet La María / Piendamó, seit Jahren ein Zentrum für Dialog und Verhandlungen. Die ständige Versammlung soll sich aus gegebenem, aktuellen Anlaß mit institutionellen Verstößen des kolumbianischen Staates gegen historische Grundrechte der Ureinwohner und in sozialer Armut Lebender beschäftigen. Eines der Themen ist nicht zuletzt der Freihandelsvertrag der kolumbianischen Regierung mit den USA und dessen Konsequenzen.
Zeitlich und inhaltlich passend, grollt auch die Natur. Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen meldete sich der Vulkan Nevado del Huila, ließ die Erde erbeben und verursachte mehrere Schlammlawinen, Überschwemmungen, Brückenschäden und Straßenblockaden. Die Folgen der Vulkanaktivität erinnerten nachdrücklich an den Raubbau insbesondere der Wälder, die des kurzfristigen Gewinnes wegen eingeschlagen werden und keine Barrieren mehr bilden können. Vor Ort wird dieses Grollen der Natur als (Wut-) Ausbruch und Bestätigung des zivilen Ungehorsams interpretiert.
Damit dies alles nicht verpufft, fordern CRIC und ONIC auch ausländische Unterstützer auf, nicht nur zu applaudieren, sondern sich einzumischen; etwa durch ein höfliches Schreiben an die Botschaft Kolumbiens in Berlin [oder Bern] unter Hinweis auf diese Informationen (kann in deutscher Sprache sein).
[Ambassade de Colombie]
Kurfürstenstraße 84 (5. Etage)
10787 Berlin
Telefon: +49 (0) 30-26 39 61 0
Fax: +49 (0) 30-26 39 61 25
E-mail: info@embajada-colombia.de
[Ambassade de Colombie
Dufourstrasse 47, 3005 Bern
Telefon: +41 (0)31 351 54 34
E-mail: colombie@iprolink.ch
Telefon: +41 (0)31 351 54 34
E-mail: colombie@iprolink.ch
http://www.emcol.ch]
Quellen: Comunicados del CRIC Nos. 4-19
Link: http://www.onic.org.co
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